Schweizer Fahne zwischen den Türmen bei St. Leodigar im Hof
George Francis Xavier

«Swissness» – bei der 1. Augustfeier selbst entdeckt

Immer wenn es um Diskussionen zu Nation, Nationalismus und Patriotismus geht, kommt unter meinen Schweizer Studienkollegen Spass und Freude auf. Sie necken mich, weil ich aus ihrer Sicht als Inder ein grösserer Schweizer Patriot bin als sie, da ich die vielen Symbole schätze und nutze.

Ich freue mich zum Beispiel, dass ich jedes Jahr mindestens zweimal die Gelegenheit habe, die Schweizer Nationalhymne zu singen, am 1. August dem Schweizer Nationalfeiertag, und am Eidgenössischen-, Dank-, Bus-, und Bettag. An diesen Tagen hängt in meinem Zimmer immer auch eine Schweizer Flagge. In meinem Geburtsland sind dies die Kriterien, um den Patriotismus des Einzelnen sichtbar zu machen und zu messen. Wenn ich also aufgrund dieser äusserlichen Symbole zum Patriotismus die Sticheleien meiner Kollegen betrachte, so muss ich ihnen recht geben.

Tafel vor dem Schiff-Restaurant Wilhelm Tell in Luzern, am 1. August |© 2017 GFX

Gestern besuchte ich mit einigen meiner Freunde die Bundesfeier in Luzern, an der die Schweizer Bundespräsidentin eine Rede hielt und die Schweizerwerte herausstrich. Als indischer Zuzüger respektiere und halte ich diese Werte mit Stolz hoch, die ich in diesem Land nun auch selbst geniessen darf.

Es sind folgende Werte, die ich in diesem Land erlebe und für viele hier schon zur Selbstverständlichkeit geworden sind:

Im Winde flatternde Fahne beim Hotel Schweizerhof |© 2017 GFX

Respekt und Nichtdiskriminierung

Ich fühle mich in meiner Arbeit und meiner Ausbildung nicht als Fremder und Ausländer. Ich werde von niemanden wegen meiner Religion diskriminiert, ganz anders sind dazu meine Erlebnisse in meinem Geburtsland.

Freiheit

Ich geniesse hier mehr Freiheit als in meinem Geburtsland. Ich kann hier meine Meinung äussern, ohne Angst haben zu müssen, geschlagen oder gar getötet zu werden.

Unterstützung

Ich bin dankbar zur enormen Unterstützung, die ich von meinen Freunden und Kapuziner-Mitbrüdern entgegennehmen darf, um die deutsche Sprache zu lernen mich gut in die hiesige Kultur integrieren zu können.

Sicherheit

Ich kann jederzeit spazieren gehen, ohne beraubt oder entführt zu werden. Ich komme jedes Mal nach Hause zurück, ohne dass ich von einem Fahrzeug angefahren wurde. Die Frauen in diesem Land reisen und unterhalten sich auf den Strassen, ohne Vorwürfe von anderen zu hören und auch ohne Angst vor Anderen haben zu müssen.

Schweizer Fahne zwischen den Türmen bei St. Leodigar, im Hof |© 2017 GFX Schweizer Fahne zwischen den Türmen bei St. Leodigar, im Hof |© 2017 GFX

Geduld und Toleranz

Ich spreche und höre hier nicht meine Muttersprache und lebe in einer ganz anderen Kultur; meine Fehler sind jedoch toleriert. Die Geduld, die ich in anderen Augen sehe, ist mir eine Ermutigung mich zu verbessern und ist mir Hoffnungsschimmer für Menschlichkeit auf der ganzen Welt.

 

 

Die Luzerner Bundesfeier und die Begegnungen mit der lokalen Bevölkerung und mit Gästen ist mir Beweis, wie respektvoll die Menschen hier in der Schweiz zusammenleben können, ohne Angst vor Gefahren aller Art. Welche weitere Beobachtung soll ich aufzählen? Es hat mich gestern ganz besonders beeindruckt, dass die Schweizer Bundespräsidentin ihre Rede ohne grosse Polizei- oder gar Militär-Präsenz halten konnte und sich auf Tuchfühlung mit den Menschen einlassen konnte, ganz ohne kugelsichere Abschirmung oder Sicherheitsabstände zu uns (von Metalldetektoren unkontrollierten) Mitfeiernden.

Ich bin in meinem Geburtsland niemals mit dem Ministerpräsidenten oder einem Minister oder einem Parlamentarier nahegekommen. Der Fahrzeug-Tross des Ministerpräsidenten besteht aus einem Dutzend Fahrzeugen, darunter zwei gepanzerten BMW 7er Limousinen, sechs BMW X3 und einem mitfahrenden Mercedes Benz Krankenwagen. Ein Tata Safari Jammer begleitet den Konvoi ebenfalls, da das schusssichere Fahrzeug auch in der Lage ist, die Insassen von Landminen Anschlägen zu sichern. Es kann auch mit geplatzten Reifen viele Kilometer fahren und die Ausstattung mit Vorwärmesensoren kann Raketen und ferngesteuerte Bomben abwehren…. Rund 1’000 Männer und Frauen wachen in verschiedenen Arbeitsschichten permanent um den Ministerpräsidenten zu schützen. Für einen normalen Bürger ist es unmöglich, einen vom Volk gewählten Politiker persönlich zu erreichen. Eigenartigerweise wird die Bedrohung nicht aus fremden Ländern befürchtet, als Bedrohung werden die eigenen Bürger angesehen… Viele ausländische Politiker leben in Angst und sind skeptisch gegenüber dem Volk im eigenen Land.

Ich bin beeindruckt von der Grösse der Schweizer Demokratie, in der ein normal Bürgerinnen und Bürger der Schweizer Bundespräsidentin ganz spontan die Hand reichen können.

Es gibt hier keine beängstigende Bedrohung durch das eigene Volk. Das Wort ‹Freie Bürger’ hat auch im Alltag eine Bedeutung und ist ein positiver Wert.

Long live Swissness.

Bildquellen

  • Tafel vor dem Schiff-Restaurant Wilhelm Tell in Luzern am 1. August |© 2017 GFX: Bildrechte beim Autor
  • Im Winde flatternde Fahne beim Hotel Schweizerhof |© 2017 GFX: Bildrechte beim Autor
  • Schweizer Fahne zwischen den Türmen bei St. Leodigar im Hof |© 2017 GFX: Bildrechte beim Autor
Schweizer Fahne zwischen den Türmen bei St. Leodigar im Hof |© 2017 GFX
1. August 2017 | 14:43
von George Francis Xavier
Lesezeit: ca. 3 Min.
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