Markus Baumgartner

Süsses, Rassismus und die Kirche

Die Bewegung «Black Lives Matter» hat auch die Schweiz erfasst. Wie so oft schlägt das Pendel einer Bewegung über die Gebühr aus. Plötzlich gelten Alltagsworte als Rassismus. Das könnte vermieden werden, wenn man die Geschichte eines Begriffs kennt. So ist etwa das Wort Mohrenkopf nicht abwertend, sondern wertschätzend zu sehen. Auf jeden Fall liess die Zeitungskolumne von Pfr. Eberhard Geisler zum Thema Mohrenkopf aufhorchen und brachte etwas Versachlichung in die Debatte um politische Korrektheit. 

Der Grossverteiler Migros verbannt die Dubler-Mohrenköpfe wegen Diskriminierung und Rassismus aus seinem Sortiment. Demgegenüber traf der evangelische Pfarrer Eberhard Geisler  an der Kirche Bärstadt im Taunus mit seiner Kolumne im «Wiesbadener Tagblatt» den Nerv der gesellschaftlichen Diskussion. So zitierte ihn unter anderem auch die grösste Schweizer Zeitung «20 Minuten». Gerne geben wir die Kolumne unbearbeitet weiter: 

«Liebe Leserinnen und Leser! 

Hilfe! Ich will einen Mohrenkopf. Aber immer bietet man mir stattdessen einen Schokokuss oder einen Schaumkuss an. Das ist nicht dasselbe. Wissen Sie, was ein Mohrenkopf ist? Ursprünglich ist es das Portrait des Heiligen Mauritius.

Mauritius, auch St. Maurice oder Moritz, auch abgekürzt Mohr lebte im 3. Jahrhundert. Als Anführer der Thebäischen Legion Roms weigerte er sich, Christen ihres Glaubens wegen zu töten. Wegen dieser Befehlsverweigerung wurde er vom Kaiser hingerichtet.

Mauritius war Afrikaner. Sein dunkles Konterfei ziert als Standbild den Magdeburger Dom, im Wappen des Bistums München und in Freising ist er als Schutzheiliger abgebildet, als solcher ist er auch in das Wappen Papst Benedikt XVI. gewandert (und ist Schutzheiliger des Kantons Appenzell Innerrhoden, Anm. der Redaktion). Da er auch als Heilkundiger galt, wurde er zum Patron der Apotheker.

Moritzkirchen, Moritzapotheken oder Mohrenapotheken erinnern an fden Afrikaner, der sich den Christen-verfolgungen entgegenstellte. Auch der Mohrenkopf als Gebäck ist von dieser Tradition abgeleitet.

Ist das herabwürdigend? Die Frankfurter Mohrenapotheke soll auf Betreiben der Kommunalen Ausländervertretung ihren Namen ändern. Demnächst ist die Moritzapotheke in Wiesbaden dran. Der Mohrenkopf ist schon längst zum Schaumkuss geworden.

Und alles nur, weil kein Mensch mehr etwas vom Mohren, dem Moritz, dem Heiligen Mauritius weiss. Wie schade! Man muss diese Dinge ja nicht wissen. Aber die Kombination von Unwissenheit und moralischem Überlegenheitsgestus hat noch immer Unheil gebracht. Neulich wurde mir verschmitzt eine’Schaumwaffel mit Migrationshintergrund’ angeboten. Aber am 22. September, dem Gedenktag des Heiligen Mohren, kaufe ich mir einen Mohrenkopf. Komme was wolle.»

Ob «Mohrenköpfe» rassistisch sein können oder nicht, ist keine fruchtbare Diskussion. Der Kampf gegen Mohrenköpfe lenkt nur von den wirklich wichtigen Problemen ab, schreibt die «NZZ am Sonntag». Wir sollten uns von den wahren Geschichten leiten lassen. Es geht dabei viel mehr um Haltungen als um Wörter. Oder wie es Scotty Williams, US-Amerikaner und Pfarrer der All Souls Protestant Church in St. Gallen, sagt: «Wir müssen nicht nur über Rassismus reden, sondern über Strukturen, die Rassismus fördern. Rassismus ist lediglich das Symptom.» 

14. Juni 2020 | 18:04
von Markus Baumgartner
Lesezeit: ca. 2 Min.
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