Heinz Angehrn

Rückblick auf die Saison 21/22

Nach einem üppigen privaten Saison-Schluss-Feuerwerk (mit «Tristan und Isolde» und «Le nozze di Figaro») wage ich es an diesem Ort, eine Art Bilanz zur ausgehenden Zürcher Saison zu ziehen. Ich tue dies mit mittel gutem Gewissen, da mir (leider!) ein Abschluss in Theaterwissenschaft fehlt und ich so des Amateurismus bezichtigt werden könnte, auch darum, weil ich als Mitglied der Redaktion der SKZ im nächsten Herbst ein Interview mit Herrn Homoki zu seiner Konzeption des «Ring» führen werde (geplantes Erscheinen in der Ausgabe 21).

Neben den Ballett-, den konzertanten und den Winterthurer Produktionen gab es auf der Hauptbühne neun Neu-Inszenierungen zu sehen, zwei vom Chef selber, sieben von Gästen inszenierte. Wohltuend fällt auf, dass in dieser Saison kein Wüterich (männlich wie weiblich verstanden) am Werke war, dessen/deren Hauptintention es war, die Schönheit und Ästhetik des Werkes zu zerstören und ihm eine ideologische Brille aufzusetzen, die den Kunden/Konsumenten woke erziehen will. Nein, vielmehr wurde gar mehrfach versucht (etwa von Frau Thomas beim «Trovatore» oder Frau Mijnssen bei den «Dialogues des Carmélites») dem Werk so gerecht zu werden, wie es der Komponist und sein Librettist damals verstanden haben und es dem Publikum zum Geschenk machten. Und dass in Homokis «Salome» am Schluss nicht die bedauernswerte Prinzessin, sondern deren böse Mutter abgeschlachtet wird, ist nicht einmal daneben, denn der Ruf des Herodes – «Man töte dieses Weib» – ist durchaus offen…

Herzstück der Saison war natürlich der Einstieg in den «Ring», den ich hier schon kommentiert habe. Homoki hat angekündigt, er wolle uns die ganze Geschichte vom Untergang der habgierigen Geschlechter aus der Ober- und Unterwelt und dies zu Lasten ihrer nun als gewöhnliche Menschen lebenden Nachkommen unideologisch so erzählen, wie Wagner es im Libretto tut. So haben wir die Götterfamilie, versteinert und isoliert ohne Blickkontakt untereinander am Tisch ihrer Herrschaft sitzend, verlassen und sind gespannt, wie in der nächsten Saison Siegmund, Sieglinde und ihr Sohn Siegfried den üblen Fluch des Alben ausbaden müssen. Technisch-inszenatorisch habe ich etwas Sorge, wie das ausgehen wird, wenn sich die Drehbühne nun während weiteren 13 Stunden vor unseren Augen wandeln wird. Wird das genügen oder wird es zu viel? Einen «Ring» macht man(n) in einem Haus einmal pro Generation, und er wird uns lange nach dem jetzigen Hausherrn erhalten bleiben.

Was ist zum Ende noch zu loben? Glogers «Le nozze die Figaro» macht echt Spass, da alle Korrektheit in Geschlechter- und Genderfragen keine Chance hat, ja ad absurdum geführt wird, wenn ein Pubertierender seinen Machohelden nacheifert und von den edlen Damen dafür noch sabbernd angetatscht wird. Wir merken uns: Auch Frauen können übergriffig sein. Und wenn wir schon bei Genderfragen sind: Das alternde Paar Moshe Leiser und Patrice Caurier (»L’Italiana in Algeri») hat wie ihr Single-Kollege Barrie einfach das bessere Händchen für die Schönheit und Ästhetik der Kunstform Oper als die einsam gramvollen Gestalten wie etwa Frau Gürbaca. Die müsste bei Frau Thomas und Herr Gloger Nachhilfe nehmen, dass eine Opern-Inszenierung auch für (grosse und kleine) Kinder zu machen und zu denken ist!

Auf ein Neues im 22/23 mit regierenden Hunden (»Barkouf») und 14jährigen (»Eligabalo»), Heldenknaben aus dem tiefen Wald (»Siegfried») und üblen Orgien am englischem Hofe (»Lessons in love and violence», «Roberto Devereux»). Der Abschluss mit «Turandot» macht mir echt Sorge. Herr Baumgarten hat zu Beginn der Intendanz Homoki schon ein Meisterwerk versaut.

Bildquellen

  • : Opernhaus Zürich
4. Juli 2022 | 06:00
von Heinz Angehrn
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!