Ramadan am Flughafen

Vor knapp einem Monat endete der Ramadan. Kaum ein Fasten-Fest ist in der Welt bekannter als der Fastenmonat der Muslime. Doch warum fasten wir? Antworten wie «Weil es in der Heiligen Schrift so steht» oder «Weil es Tradition hat» reichen heute nicht mehr aus, um einen solchen Verzicht zu erklären, oder etwa doch?

Ich habe einen Freund gefragt, warum er fastet. Seine Antwort war einfach. «Ich habe es so gelernt.» Als ich dann weiterfragte, hat er gelächelt und zurückgefragt, ob ich jemals ein Fastenbrechen der Muslime miterlebt hätte. Als ich verneinte lachte er und sagte, dass sei ein weiterer Grund für ihn. Doch der Hauptgrund sei die Religion.

Fasten für einen guten Zweck

Ich bin sehr nachdenklich nach Hause gegangen an diesem Abend. Lange habe ich mich gefragt, warum denn ich zur Fastenzeit verzichte. Als Kind war es klar. Weil wir für den Verzicht immer ein Bäzeli in unser Fastenopfersäckli bekommen haben und am Ende dieses Geld, unser Geld, spenden konnten. Ich konnte, mit nur einem geringen Verzicht, einem anderen Menschen viel Freude machen, einem Kind einen Monat lang eine warme Mahlzeit geben. Das hat sich gut angefühlt.

Warum faste ich heute?

Ich bin längst aus dem Alter heraus, in welchem meine Eltern mir Geld für den Verzicht auf Schokolade gaben. Heute gebe ich regelmässig eine Kollekte für Bedürftige. Also warum faste ich? Um mich Jesus näher zu fühlen, wie er in der Wüste 40 Tage lang fastete? Eher nicht. Um dazuzugehören? Wohl kaum. Um eine Tradition weiterzuführen? Vielleicht. Doch ich denke, es ist vorallem das Gefühl, sich zu reinigen. Den Körper zu entgiften und an Ostern das Fasten zu brechen, um rein in ein neues Jahr zu starten.

Fasten als gemeinschaftliches Ritual

Als ich meinen muslimischen Kollegen einige Tage später wieder sah, hatten wir gerade Kaffee-Pause. Aus Solidarität beschloss ich, in seiner Gegenwart nicht zu essen oder zu trinken, da es ziemlich schwer ist, gerade an heissen oder anstrengenden Tagen das Fasten zu halten. Als ich ihm auf seine Nachfrage hin meine Entscheidung mitteilte, war er sehr erfreut. Gemeinsam haben wir viele Kaffee-Pausen verbracht und uns über die Idee des Fastens und des Fastenbrechens unterhalten.

Fasten als Brücke zwischen Religionen

Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es egal ist, wann man fastet, solange man es aus den richtigen Beweggründen macht und der eigenen Gesundheit mehr Beachtung schenkt als den Angaben der Religion oder Tradition. Auch haben wir gemerkt, dass gemeinsam am Arbeitsplatz zu fasten das Leben erheblich erleichtert. Für nächstes Jahr habe ich mir vorgenommen, mit meinem muslimischen Kollegen zu fasten und gemeinsam mit ihm und seiner Familie das Fastenbrechen, ʿĪd al-Fitr oder auch Bayram genannt, zu feiern. Denn gemeinsam feiern fördert den Zusammenhalt und das Verständnis für andere.

Sarah Münch Cobos

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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