Blog, Blog, Blogging on heaven's door – Wem gehört das Sterben?

Vor vier Jahren ungefähr erkrankte meine Mutter schwer. Sie war in einem kritischen Zustand und musste ins Spital. Sie war gerade 80 Jahre alt geworden und jetzt das.

Sie tat sich sehr schwer mit dieser Situation der Abhängigkeit. Sie fühlte sich wehrlos und war es auch. Dank der guten Pflege im Spital erholte sie sich soweit, dass sie in eine Reha – Einrichtung gehen konnte. Nach zwei oder drei Wochen konnte sie wieder nach Hause und lebt seither wieder selbstständig zu Hause in ihren eigenen vier Wänden.

Kurz nach dem sie damals nach Hause kam, fragte sie mich, ob ich ihr beim Ausfüllen eines Formulars behilflich sein könne. Wir setzten uns also hin und arbeiteten uns gemeinsam durch die Patientenverfügung, die sie zuvor vom Hausarzt verlangt hatte. Obwohl diese sehr schwierige Fragen enthielt, konnten wir offen darüber reden, was ihre Wünsche sind. Aber auch über ihre Ängste sprachen wir.

Vor einiger Zeit las ich in verschiedenen Beiträgen über die Haltung von Bischof Felix gegenüber dem Freitod mit Hilfe von Organisationen. Seine klaren Worte taten mir gut. Mich beschäftigt dieses Thema schon länger sehr und ich stelle oft fest, dass die Befürwortung von Organisationen, die Menschen beim Freitod begleiten, heute als selbstverständlich angesehen wird. Ich stelle auch fest, dass ich, wenn ich mich kritisch darüber äussere und erwähne, dass ich entschieden dagegen bin, ziemlich alleine dastehe. Es wird mir dann oft gesagt, dass ich, wenn ich dagegen sei, den Menschen keinen würdigen Tod ermöglichen würde. Es wird mir quasi vorgehalten, dann sei ich gegen den freien Willen, gegen das Recht auf Selbstbestimmung und gegen die Menschenwürde. Ich bin aber im Gegenteil sehr für den freien Willen des Menschen und für das Recht auf Selbstbestimmung und ein Leben in Würde.
Da. Da ist er, mein kleiner Unterschied: das Leben! Wem «gehört» das Sterben? Gehört es dem Leben oder bereits dem Tod?
Ich rechne das Sterben zum Leben. Ein sterbender Mensch ist noch ein Partner, eine Mutter, ein Vater, ein Kind, ein Freund und dieser Mensch lebt und hat Beziehungen zu anderen Menschen. Erst der Tod trennt diese Bindung ans Leben.

Das ist es, was mich am Argument «in Würde sterben» stört. Für mich würde es eher stimmen wenn es hiesse «in Würde leben bis zum Tod». Um diesen letzten Abschnitt zu würdigen, sollten wir da nicht besser die Pflegenden unterstützen und stärken, anstatt Vereine zu gründen, die – quasi – dem Tod  dienen?

Es gibt sicher vieles was die Menschen für eine solche Organisation Partei ergreifen lässt. Für mich selbst kann ich es mir nicht vorstellen. Es liegt mir aber auch fern, jemanden zu verurteilen, der in einem solchen Verein Mitglied ist oder diesen Weg bereits gegangen ist.

In der Arena zum Thema kam von der Befürworter Seite die Aussage, alles sei freiwillig, von den Organisationen gehe kein Druck aus. Das sehe ich nicht ganz so. Alleine die Option die sie schaffen, dass ein Leben freiwillig mit ihrer Hilfe beendet werden kann, macht Druck.

Diese Option macht Druck auf kranke, einsame und betagte Menschen.

Und sie führte zu der Frage meiner Mutter, die mich sehr erschütterte und mir die Augen öffnete für diese Perspektive: «Darf ich mir den in meinem Alter noch wünschen, dass die Ärzte um mein Leben kämpfen, wenn es nötig wird? Ich hänge nämlich sehr daran.»

 

Anna Di Paolo

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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