Hochachtungsvoll Ihr …

Während der ganzen Reorganisation der Medienarbeit in der Schweiz und beim Umzug des Katholischen Medienzentrums an die Pfingstweidstrasse habe ich mir immer gedacht: «Sobald wir das Schlimmste hinter uns haben, schreibe ich wieder einen Blogbeitrag.» Nun, das Schlimmste haben wir zwar noch nicht hinter uns – wir sind noch nicht umgezogen –, aber ich schreibe trotzdem, denn ich halte es mit Juvenals difficile est saturam non scribere (Iuv. Sat. I, 30): Manchmal ist es schwierig, (darüber) keine Satire zu schreiben.

Was hat mich jetzt so weit gebracht?

Manche von uns schreiben viel und gewandt. Selbst komplizierte Sachverhalte bringen wir in verständlicher Sprache an die Frau und den Mann. Aber kaum schreiben wir eine E-Mail (früher war es ein Brief), verfallen wir in einen Stil, der schon meiner Grossmutter höchstens ein müdes Lächeln entlockt hat. Oder noch schlimmer: Wir verfallen in ÖV-Sprech: «Infolge Abwartens eines Gegenzugs verzögert sich unsere Weiterfahrt um einige Minuten» oder «Unsere Verspätung beträgt im Moment vier Minuten. Grund dafür ist eine Türstörung».

Floskeln ade!

Wenn Sie sich bewusst sind, dass eine E-Mail grundsätzlich den gleichen (Anstands-)Regeln folgen muss wie ein Brief, machen Sie schon vieles richtig. Sie wissen, wie wichtig eine aussagekräftige Betreff-Zeile ist, Sie setzen eine freundliche Anrede, schreiben ein orthografisch und grammatikalisch korrektes Deutsch mit Satzzeichen und Gross-/Kleinschreibung, Sie achten auf einen sinnvollen Aufbau Ihrer Gedanken und vergessen auch den Gruss und Ihren vollständigen Namen nicht.

Aber vielleicht haben Sie ja nicht mitbekommen, dass sich auch der Briefstil in den letzten Jahren verändert hat. Wie sollten Sie auch, Sie erhalten ja nur Briefe und E-Mails im gleichen Stil wie Ihre eigenen – schnell hingeworfen, voll von Floskeln …

Sie-bezogen schreiben!

Eine E-Mail ist keine Literatur, werden Sie einwerfen, ist kein ausgefeilter journalistischer Artikel. Da gebe ich Ihnen vollkommen Recht. Eine E-Mail hat eine direkte Adressatin, einen direkten Adressaten. Das macht sie zu etwas Besonderem und lässt mich aus den vielen Stil-Empfehlungen der modernen Korrespondenz-Lehrmittel eine Forderung hervorheben. Schreiben Sie Sie-bezogen! Und nicht nur dann, wenn Sie andern etwas vorwerfen!

Verb statt Nomen, Aktiv statt Passiv

So schreiben Sie dann nicht «Wir senden Ihnen», sondern «Sie erhalten von uns». Und ganz nebenbei sind Sie dadurch weniger gefährdet, in einen schwerfälligen Nominalstil zu verfallen («Infolge Abwartens einer wichtigen Entscheidung versenden wir unser heutiges Communiqué mit einer Verspätung von zwanzig Minuten»), sondern Sie schreiben in logischer Abfolge, verbal und spannend, weil Sie sich ein Gegenüber vorstellen («Sie erhalten unser Communiqué heute zwanzig Minuten später. Wir warten noch auf eine wichtige Entscheidung»). Und Sie sind auch weniger gefährdet, unpersönliche Passivkonstruktionen («Der Jahresbericht ist Ihnen zugestellt worden») den persönlichen aktiven Sätzen vorzuziehen (Wie heisst das denn jetzt? Ja, genau. «Sie haben den Jahresbericht erhalten»).

Kurze Sätze, Wirklichkeits- statt Möglichkeitsform

Nun müssen Sie nur noch kurze Sätze schreiben und floskelhafte Möglichkeitsformen vermeiden (statt «Ich möchte Sie einladen» [Lassen Sie es doch nicht bei der Absicht bewenden, sondern tun Sie es!] heisst es «Sie sind herzlich willkommen»). Dann sind Ihre E-Mails nicht nur freundlich und korrekt, sondern auch verständlich und lesenswert.

Drei Todsünden

Als ehemaliger Sprachlehrer schaue ich vielleicht mit einem anderen Blick auf E-Mails als die meisten andern. Trotzdem: Bitte vermeiden Sie diese drei Katastrophenfloskeln!

«Beiliegend sende ich Ihnen …» (Wer liegt bei? Ich liege bei.)

«Vielen Dank für Ihre Bemühungen» (Ich lese immer: Sie haben das Problem zwar nicht gelöst, aber Sie haben sich bemüht. Vielen Dank. Dabei habe ich das Problem gelöst und möchte, dass man mir dafür dankt.)

«Leider musste ich feststellen, dass …» (Sie mussten? Nein, dazu bestand kein Zwang. Leider? Das ist geheuchelt. In Wirklichkeit sind Sie froh, dass Sie es festgestellt haben. Also geben Sie es doch zu!)

Es gibt natürlich noch viele andere sprachliche Sünden. Treten Sie doch manchmal nach dem Schreiben in Gedanken einen Schritt zurück und überlegen Sie sich, was Sie da eigentlich geschrieben haben. Anfangs werden Sie oft über sich schmunzeln. Dann schreiben Sie nicht nur freundlich, korrekt, verständlich und lesenswert, sondern sogar mit Spass.

Erich Schweizer

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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