Palästina/Israel: wie weiter?

Nach dem berüchtigten 7. Oktober habe ich gezögert, an dieser Stelle zum Nahostkonflikt zu schreiben. Denn es ist offensichtlich: Man mag sich noch so sehr vom Terror abgrenzen, wird man aufs heftigste angegriffen, wenn man gegenüber der anderen Seite auch nur die leiseste Kritik anbringt; etwa an der Tatsache, dass ein Gebiet mit über 2 Millionen Bewohnern ausgehungert wird, wobei die Blockade auch dazu führt, dass in Gaza kaum ein Spital funktionsfähig bleibt. Trotzdem einige Bemerkungen.

Keine 2-Staaten-Lösung?
Während Jahrzehnten habe ich mich für eine 2-Staaten-Lösung eingesetzt. Doch schon vor dem 7. Oktober musste ich auch aufgrund von Einschätzungen durch Fachleute eingestehen, dass sie nicht mehr möglich ist. In der Westbank leben bereits rund 700’000 Siedler. Es kann sich kaum jemand vorstellen, sie in das israelische Staatsgebiet zurückzuschicken. Die Folge wäre wohl ein Bürgerkrieg.
Bleibt also die Lösung: Ein Staat für zwei Völker. Schwierig, wegen des kollektiven Traumas auf beiden Seiten. Doch: Es bleibt vergessen, dass bereits Unzählige Israelis und Palästinenser in guter Nachbarschaft leben.
Und sogar so etwas gibt es: In den Medien ist jetzt von einem Palästinenser und einem Israeli zu lesen, die beide durch Gewalt eine Tochter verloren haben und nun trotzdem unermüdlich in Schulklassen sich für Versöhnung einsetzen.

Und die Hamas?
Kein vernünftiger Mensch kann auch nur im Geringsten rechtfertigen, was die Hamas am 7. Oktober getan hat. Trotzdem zwei Bemerkungen zu ihrem Hintergrund:

-Als die Hamas 2006 in Gaza gewählt wurde, lebte die Hälfte der aktuellen Bevölkerung noch nicht. Man kann also nicht pauschal sagen, «die» dort lebenden Menschen hätten sie gewählt. Überhaupt: Immer mehr werden Palästinenser und Hamas in den gleichen Topf geworfen. Obwohl diese nur e i n Zweig des palästinensischen Volkes sind. Ein Leserbriefschreiber nennt sogar das durch Arafat berühmt gewordene, ursprünglich arabische Palästinensertuch Kuifya «Hamas-Tuch» …

-Die Hamas besteht aus Menschen, die in ihrem Leben nichts anderes gekannt haben als Gewalt und Unterdrückung – und darum an einer friedlichen Lösung zweifeln.

Nochmals: Dies rechtfertigt ihre Brutalität in keiner Weise. Auch hier gilt: Mit Gewalt lässt sich kein Problem lösen.

Sicherheit und Freiheit
Der Abt der Benediktiner in Jerusalem hat in einem Gespräch mit dem Zürcher Pfarrblatt forum eine Formulierung gefunden, die einen Ausweg aus der fast hoffnungslosen Situation in Israel/Palästina aufzeigt:
«Wie kann Israel ein gesicherter Staat sein, ohne die Freiheitssuche der Palästinenser zu ignorieren? Und wie können die Palästinenser einen freiheitlich-souveränen Staat bekommen, ohne die Sicherheitssehnsucht der Israeli zu ignorieren?»
PS. Kürzlich lief auf dem deutschen Privatsender JUNG&naiv eine Diskussionsrunde mit einer palästinensischen Journalistin und einem jüdischen Journalisten. Sie waren sich weitgehend einig. Trotz der Länge von fast drei Stunden ist die Sendung sehr empfehlenswert:

Walter Ludin

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

https://www.blogs-kath.ch/palaestina-israel-wie-weiter/