Verwandt: Menschen und Tiere

(Dieser Text entstand vor der Publikation der neuen päpstlichen Enzyklika. Darin finden sich über die Verwandtschaft von Tier und Mensch ähnlich Gedanken)

Im Trubel um innerkirchliche Probleme ist es bei den meisten untergegangen: Die katholische und die orthodoxe Kirche feiern im Augenblick die sogenannte Schöpfungszeit. Sie endet am Mittwoch, dem Fest des heiligen Franziskus, der ja bekanntlich Patron der Umwelt ist.

Diese Zeit erinnert daran: Gegenüber der Schöpfung, die Gott uns Menschen anvertraut hat, sind die Kirchen schuldig geworden; vor allem, weil sie den Schöpfungsauftrag missverstanden haben Sie haben daraus die Einladung herausgelesen: «Macht euch die Erde untertan.» Darum meinte man, der Mensch könne als absoluter Herrscher über die Natur verfügen.

Inzwischen hat man entdeckt, was dieser Auftrag wirklich bedeutet: Sorge zu tragen zu allen Geschöpfen. Anstelle von Gott, als seine Stellvertreter achtsam mit dem Geschaffenen umzugehen. Im Englischen spricht man sogar davon, dass der Mensch ein STEWARD, also etwa ein Betreuer der Schöpfung sein soll.

Er ist also nicht der absolute Souverän, ein Diktator, der über alles verfügen kann. Er steht nicht über der Schöpfung, sondern in ihr. Man spricht darum oft lieber von der MIT-Welt als von der UM-Welt.

Oder wie es Albert Schweitzer formulierte: «Der Mensch ist ein Lebewesen inmitten anderer Lebewesen, die auch leben wollen.»

Der bekannte Urwalddoktor meinte: »Die Tiere sind unsere Brüder, die grossen wie die kleinen. Erst in dieser Erkenntnis gelangen wir zum wahren Menschentum.»

Schweitzer erinnert daran, dass «diese Bruderschaft zwischen Mensch und Kreatur» von Franz von Assisi betont wurde. (vgl. Sonnengesang)

Er fügt hinzu: «Aber die Menschen verstanden es nicht. Sie meinten, es sei Poesie. Es ist aber die Wahrheit. Die Religion und die Philosophie müssen es anerkennen. Vergebens haben sie sich dagegen gewehrt.» Inzwischen Haben auch die Naturwissenschaften dazu gelernt. So haben sie zum Beispiel entdeckt, dass Affen ein Bewusstsein von sich haben. Denn sie erkennen sich im Spiegel. Oder auch: Manche Tiere verwenden Werkzeuge, was früher ausschliesslich der menschlichen Intelligenz zugeschrieben wurde. Kurz und gut: Mensch und Tier sind einander näher verwandt als wir zugeben.

Zurück zu Franz von Assisi: Er hat – wie später Albert Schweitzer – alles Geschaffene als Bruder/als Schwester betrachtet. Er hat sogar verachtete Geschöpfe wie Würmer von der Strasse aufgelesen, damit sie nicht zertreten wurden.

Der heilige Franziskus ist überzeugt gewesen: Der Mensch steht nicht der Schöpfung gegenüber. Er lebt in ihr, mit ihr. Dazu meinte mein Kapuzinermitbruder Anton Rotzetter: «Der Mensch ist nach der Bibel in einen Garten gestellt. Seine Aufgabe ist es, diesen Garten im Namen Gottes zu hegen und zu pflegen.»

Sie sind sich sicher mit mir einig: Ein solcher Auftrag ist sympathischer als der missverstandene Schöpfungsauftrag, bei dem man meinte, wir Menschen könnten mit dem Geschaffenen egoistisch, willkürlich umgehen. Er bedeutet ein fruchtbares Miteinander von Mensch und Mitwelt.

Radio  Central, Wort zum Sonntag, 1. Oktober 23)

Walter Ludin

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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