Erich Fried und die Kritik am Staat Israel

Anlässlich des 100. Geburtstages des jüdischen Dichters Erich Fried wurde oft an sein Gedicht «Höre Israel» erinnert. Darin heisst es deutlich und prägnant:

«Als wir verfolgt wurden,
war ich einer von euch.
Wie kann ich das bleiben,
wenn ihr Verfolger werdet?»

Im Gedicht finden sich auch deutliche Worte, die ich nicht so zu formulieren wagte:

«Ihr habt überlebt
die zu euch grausam waren.
Lebt ihre Grausamkeit
in euch jetzt weiter?»

Wenn nun schon von «Grausamkeit» die Rede ist: Waren nicht folgende Fakten der Ausdruck von Grausamkeit; oder auch der «Urgrund», um nicht zu sagen die «Ursünde» des Konflikts im «Heiligen Land»: 1948 hat Israel 77 Prozent des historischen Palästinas erobert, mehr als 520 Dörfer zerstört (angeblich, nach der zionistischen Version, «in einem Land ohne Volk»!!!). Über 700 000 Palästinenser wurden zu Flüchtlingen.

Nochmals meine Frage an meine lieben Miteidgenossen: Würdet ihr euch so etwas wehrlos gefallen lassen?

PS: Es gibt die diskussionswürdige These, dass der Zionismus ursprünglich für die (verfolgten) Juden bloss Land – also Lebensraum forderten – und nicht einen eigenen Staat.

Der lutherische Theologe Mitri Raheb, einst Pfarrer in der Bethlehemer Weihnachtskirche, forderte schon 2018 in der Schweizer Zeitschrift «Neue Wege» eine «neue, authentische Theologe, basierend auf Gerechtigkeit, Menschenrechten und Vielfalt; eine Theologie von und für die Unterdrückten.» Hinzuzufügen ist: Dies ist nichts anderes als die «Theologie» der alttestamentlichen Propheten. Auffallend ist, dass diese als Voraussetzung für den Verbleib des Volkes Israel in ihrem Land den Umgang mit den «Fremden unter euch» formulieren. Im Klartext: Nur wenn ihr mit ihnen menschlich umgeht, habt ihr ein Recht, hier zu bleiben. Welche christlichen Israel-Freunde bedenken dies und erinnern die Israelis daran?

Walter Ludin

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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