Meine Erinnerungen an Hans Küng

Unmittelbar nach dem Tod von Hans Küng gab es hier auf kath.ch unzählige Nekrologe und Würdigungen. Darum verzichtete ich vorerst darauf, den folgenden Beitrag, den ich im Auftrag von reformiert.ch schrieb, hier im Blog zu veröffentlichen. Ich hole es hier nach.

Zuerst zum Bild, das diesen Blog einleitet. Es war am 80. Geburtstag von Hans Küng, beim Apéro im Luzerner Hotel Schweizerhof. Ich trat in einem Kreis, in dem Hans Küng u.a. mit dem ebenfalls berühmten Luzerner Hans Erni und seiner Frau Doris stand. Als Küng mich mit meiner Kamera sah, sagte er mir: «Du musst ein Bild nehmen.» (Er war offenbar beeinflusst vom englischen «take a picture» …)

Etliche Jahre zurück: Es war Anfang der 1960er-Jahre, als in Sursee, dem Heimatstädtchen Küngs, unser Mathematiklehrer am Untergymnasium stolz erzählte: «Jawoll, Hans Küng war mein Schüler!» Der Theologe hatte drei Jahre zuvor mit seiner Doktorarbeit über die Rechtfertigungslehre Karl Barths eine ökumenische Sensation ausgelöst. Und war also schon vor über 60 Jahren der Stolz seiner Heimat.

Auf meinen zahlreichen Reisen als Journalist wurde ich im globalen Süden immer und immer wieder auf meinen Landsmann angesprochen. Oft war ich es dann, der stolz war und antwortete: «Ich bin vom gleichen Stamm wie er.» (Unsere Geburtsorte liegen 8 Kilometer auseinander.)

Leider auch dies: Öfters traf ich auf Ablehnung, ja auf Hass gegenüber Hans Küng. Der Kirchenkritiker aus Liebe zur Kirche eckte in vielen volkskirchlichen Kreisen an. Es war in Jerusalem: Als Priester begleitete ich eine Schweizer Pilgergruppe. Als wir uns anschickten, in einer Kirche der «heiligen Stadt» Eucharistie zu feiern, bemerkte ich die grosse Distanz zwischen dem Altarraum und dem Kirchenschiff. Ich wollte meine Gruppe um den Altar herum platzieren. Der Sakristan verbot es mir strikte. Darum nahm ich Bücher und Kelch und ging an die Abschrankung zwischen Altarraum und Kirchenschiff: «Wenn ihr nicht zu mir kommen dürft, komme ich zu euch.» Zurück in der Sakristei wurde ich zusammengestaucht: «Typische Hans Küng-Gedanken!» Immerhin wusste der fromme Sakristan, dass der Theologe gegen die strikte Trennung von Klerus und «Laien» kämpfte …

Der weltbekannte Mann rühmte sich gerne seiner engen Kontakte mit den Mächtigen der Welt. Wenn ich an seine Vorträge denke, dich gehört habe, klingen mir Sätze im Ohr wie: «Als ich letzte Woche ein langes Gespräch mit dem UNO-Generalsekretär Kofi Annan hatte …» Ja, der berühmte Küng bewegte sich gerne im Dunstkreis anderer Berühmter! Dennoch interessierte er sich auch für die «kleinen Leute». Ein Erlebnis, das mich sehr berührte: Nach einem Vortrag, den er in Luzern hielt, sass er mit der Präsidentin des Kantonalen Seelsorgerates und mir beim Mittagessen am gleichen Tisch. Meine Kollegin erzählte ihm, dass ihre Tochter gerade das Studium an der Luzerner Kantonsschule begann, an der Küng nach dem Surseer Untergymnasium ebenfalls studiert hatte. Er erkundigte sich nach ihrem Vornamen und schrieb auf seine Serviette: «Liebe Franziska, ich wünsche dir …»

Walter Ludin

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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