Fasten und Weltfrauentag

Meine heutige meditative Fastenandacht hatte ich schon gestern vorbreitet. Ich wollte sie mit einem Text über das Loslassen gestalten. Da kam mir heute morgen ein Text der Theologin Birgit Mattausch zum Weltfrauentag dazwischen.

Nach einer langen Erörterung darüber, dass Frauen die Sache am Laufen halten in Kirche und Care und wie übervertreten immer noch Männer sind, wenn es um Entscheidungen und Redezeit geht, kommt sie zu folgendem Schluss:

Jedenfalls. Wo war ich. Ach ja, es ist Weltfrauentag. Es ist Frauenkampftag und ich bin es leid zu kämpfen. Das Leben ist anstrengend genug. Ich bin sowieso dauernd müde und Pandemie ist ja auch immer noch.

Ich schlage also für heute und für diese Woche zwei erfreuliche Aufgaben vor:

1. Schreibe, tape, spraye deinen Namen in GROSSBUCHSTABEN dorthin, wo er gesehen wird (auf diese Idee brachte mich die Künstlerin ORLAN, die ihren Namen immer in Großbuchstaben schreibt).

Oder:

2. Lies eine Woche lang nur Texte von Menschen, die keine Cis-Männer sind. Und ansonsten: einfach Stille.

Wähle die Aufgabe, die dir eigenartiger vorkommt. Sie wird die richtige sein.

Und vergiß nicht: So spricht die Ewige: Gott bin ich und kein Mann. (Hosea 11,9)»

Das hat mich sehr inspiriert. Ich habe dann die Andacht anders gestaltet. Zuerst habe ich den Text von Brigitte Mattausch vorgelesen. Ich hatte Stifte und Blätter dabei und wollte die Teilnehmenden ihren NAMEN grossschreiben lassen – und dann einfach zusammen schweigen. Und dann sollte jemand, die nicht Cis-Mann ist, einen Wunsch oder einen Segen sprechen. Heute kam nur jemand, so haben wir doch wieder mehr gesprochen. Es war ein wunderbarer Austausch über Namen und Zuschreibungen.

Ich finde aber den Zusammenhang zwischen Schweigen und Fasten sehr interessant. Schweigen ist eine Form von Fasten, bei der ich verzichte zu allem Möglichen mich zu äussern. Vor allem zu Sachverhalten, bei denen ich nicht wirklich über Erfahrungen verfüge. Dabei geht es darum, mehr ins Hören und Zuhören zu kommen. Mir geht es zumindest so, dass ich manchmal dazu neige, meine Meinung auch ungefragt äussern zu wollen. Fasten täte gut: Menschen zuzuhören, die wirklich Erfahrung haben, statt die eigene Position bestätigen zu wollen.

Auch den Kirchen, vor allem meiner römisch-katholischen, täte es gut, mehr zuzuhören. Ich denke da vor allem an die Debatten rund um Lebensformen und Sexualität.

Diese kreisen darum, eine Lehre zu verteidigen, die von einer Mehrheit an der Basis nicht mehr ernst genommen wird. Und sie schreiben so vielen Menschen eine defizitäre und unglückliche Lebensweise zu, nur weil diese nach der richtigen Lehre irgendwie problematisch sein müsste. Da würde es guttun, einfach Menschen zuzuhören, die aus eigener Erfahrung sprechen. Was denken Frauen über sich und ihre Prädestination für Care-Arbeit? Was fehlt homosexuellen Menschen in ihren Partnerschaften? Fehlt ihnen überhaupt etwas? Wie denken nichtbinäre Persönlichkeiten darüber nach, wie Geschlechterrollen Leben und Gemeinschaft fördern? Wie erlebt es eine Transperson, dass das Thema jetzt plötzlich so präsent ist?

Ja, es täte gut zu fasten: weniger die eigene Position zu verteidigen und mehr ergebnisoffen zuzuhören.

Meinrad Furrer

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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