Paulus, Frauen

Da mein letzter Blogbeitrag unvermuteterweise in den Kommentaren eine lebendige Diskussion über die vermutete Frauenfeindlichkeit/Misogynie von Paulaus entstanden ist, gibt es dieses Mal einen Beitrag zu genau diesem Thema: Was dachte Paulus über Frauen, und wie arbeitete er mit ihnen zusammen, so er das konnte? (Es könnte sich lohnen, die Kommentare zu https://www.blogs-kath.ch/paulus-der-zwangsgestoerte/ zu lesen.)

Erst einmal: Ich hoffe, wir sind uns darüber einig, dass wir über die historische Person Paulus reden möchten, nicht über eine von anderen Autoren entwickelte Figur. Anders als bei Jesus haben wir das Glück, von Paulus eigene Texte in seinen Briefen zu kennen, und auf diese möchte ich mich beschränken. Das heisst, die Apostelgeschichte, in der Lukas ein eigenes Paulusbild entwickelt, bleibt aussen vor. Das gleiche Schicksal trifft diejenigen Briefe, in denen Paulus in guter antiker Tradition als Verfasser auftritt, die aber (wie damals noch allgemein bekannt war) von Menschen verfasst wurden, die auf diese Weise ihre Verehrung für Paulus und sein Denken ausdrücken wollten (Epheser, Kolosser, die beiden Timotheusbriefe, Titus und der 2. Thessalonicherbrief). Es bleibt noch genug übrig: Der Römerbrief, die beiden Korintherbriefe, der Galater-, Philipper- und der erste Thessalonicherbrief sowie der kurze (und zugegebenermassen Frauen-lose) Philemonbrief sind unumstrittene authentische Paulus-Schreiben.

Als «Futter» haben wir von einem Kommentator des letzten Artikels einige Textstellen bekommen, mit denen ich beginnen möchte:

Im ersten Korintherbrief, Kap. 7, beantwortet Paulus eine Frage der korinthischen Gemeindemitglieder, die leider nicht bekannt ist. Es ging aber offensichtlich um Singles/Zölibatäre, eine Ausnahmeerscheinung in der damaligen Gesellschaft, da wollte man von Paulus als so Lebendem etwas wissen. Seine Antwort, eben das 7. Kapitel, ist formuliert, als hätte zu seiner rabbinischen Ausbildung ein Seminar über gendersensible Sprache gehört, so geschickt wechselt er zwischen männlicher und weiblicher Form ab, spricht jeweils Männer und Frauen an. Man könnte darüber reden, warum Paulus die Ehe abwertet (hat wahrscheinlich damit zu tun, dass, wer mit dem Ende der Welt in naher Zukunft rechnet, andere Prioritäten hat als unsereins), aber Frauen- oder auch Männerhass kann man ihm aufrund dieses Textes nicht vorwerfen.

Schwieriger wird es einige Seiten später, im 11. Kapitel, wo Paulus die Frauen mit der rätselhaften Begründung «um der Engel willen» dazu verpflichtet, im Gottesdienst ihr Haar zu bedecken. Was da der Hintergrund war, lässt sich nicht genau rekonstuieren, vermutlich war das in der jüdischen Gesellschaft in Korinth üblich und Paulus wollte, dass seine Gemeindemitglieder da nicht unnötig auffielen. Seine Äusserungen, dass die Frau «Abglanz des Mannes», der Mann allein Abglanz Gottes sei, mag ich allerdings nicht entschuldigen, nach der Schöpfungsgeschichte sind alle Menschen Bild Gottes, das müsste er wissen. Interessantet an dieser Passage ist noch, dass Paulus ganz offensichtlich davon ausgeht, dass Frauen im Gottesdienst laut reden bzw. beten.

Dazu passt die berühmte Stelle im Kapitel 14, Vers 24-25 überhaupt nicht, in der Frauen das Sprechen im Gottesdienst verboten wird – das macht keinen Sinn, wenn wenig zuvor geregelt wurde, wie Frauen im Gottesdienst reden sollen. Dass das verwirrend ist, ist kein Wunder, denn diese Stelle wurde aller Wahrscheinlichkeit nach nicht von Paulus geschrieben, sondern einige Jahrzehnte später in den Text eingefügt. Genauer gesagt steht sie in frühen Handschriften ganz am Ende des Korintherbriefs, erst später hat man dann offenbar versucht, sie etwas unauffälliger unterzubringen, aber immer noch wenig geschickt – der Themenwechsel von «prophethische Eingebungen» zu «Frauen sollen schweigen» fällt noch aus 2000 Jahren Abstand als ziemlich abrupt auf. Wiederum: Man kann hier nicht Paulus Frauenfeindlichkeit vorwerfen, sondern dem/den Unbekannten, die womöglich versuchten, ihre eigenen Vorstellungen mit Verweis auf selbst hergestellte Paulus-Zitate zu legitimieren.

Welche Rollen und Aufgaben Frauen nach Paulus’ Ansichten haben konnten, lässt sich zu einem gewissen Grad aus den Grüssen am Ende seiner Briefe erkennen. Am Ende des gewichtigen Römerbriefs findet sich z.B. eine ganze Liste von ausgesprochen aktiven Frauen: An eine Junia richtet Paulus Grüsse aus, die er zu den Aposteln zählt. An Phoebe, die wohl als Rechtsbeistand für die an Christus Glaubenden tätig war und damit nicht nur Paulus unterstützte. Und an Priska und Aquila, ein Ehepaar, das eine (Haus-)Gemeinde leitete – mit Priska, der Frau, an erster Stelle sowohl bei den Grüssen als auch vermutlich im Gemeindeleben. Das bedeutet, es ist nicht unwahrscheinlich, dass Priska als Gemeindeleiterin auch die Eucharistiefeier dieser Gemeinde leitete – und Paulus hatte damit kein Problem. Was bedeutet: Wenn die Kirche heute so mit Frauen umgehen würde, wie Paulus das getan hat, dann wären wir viele wertvolle Schritte weiter. Den Rest an Frauenfeindlichkeit könnten wir dann später erledigen – jetzt sollten wir erstmal da hinkommen.

Karin Reinmüller

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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