Wer jetzt allein ist …

… Gedanken zum Valentinstag I

Am 14. Februar feiern wir am Fest des Heiligen Valentin wie jedes Jahr die Liebenden. Und auch dieses Jahr gestalte ich eine ökumenische Segensfeier für Liebende mit. Dieses Jahr – auf Zoom. Ja, dieses Jahr ist es anders. Eine Segensfeier lebt stark von Präsenz, von sinnlichen Zeichen. Dieses Jahr sitzen wir vor dem Computer. Immerhin nicht allein.

Wie viele andere. Corona hat sie in die Isolation getrieben.

In dieser Corona-Zeit hat für mich eine Zeile aus dem Gedicht «Herbsttag» von Rainer Maria Rilke eine ganz neue Dringlichkeit bekommen: «Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben.» Das Problem ist ja nicht eigentlich das Alleinsein. Ich freue mich oft aufs und am Alleinsein.
Aber wenn das Alleinsein zu Einsamkeit führt, dann wird das problematisch. Und wer jetzt allein ist, wird wohl früher oder später mit Einsamkeit konfrontiert und das könnte nachhaltige Folgen haben.
Die Pandemie scheint auch in dieser Hinsicht Zustände in unserer Gesellschaft sichtbarer zu machen. Wir scheinen in den letzten Jahrzenten in eine Epoche der Einsamkeit eingetreten zu sein. Ein Drittel der Menschen geben an, gelegentlich unter Einsamkeit zu leiden. Es scheint, dass sich das Problem gerade verschärft. Die Präsenz des Themas in den Medien ist gross.
Kürzlich hat die Republik der Einsamkeit einen einfühlsamen Artikel gewidmet. Diese Woche hat auch der Kulturplatz im Schweizer Fernsehen das Thema in den Fokus gerückt.

Ein Satz aus dem Artikel der Republik ist bei mir hängen geblieben: Wer einsam ist, hat öfter negative Begegnungen mit anderen Menschen. Es ist wie eine Spirale.  Man gräbt sich mehr und mehr ein. «Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben.»

Wie wäre es, dies am Valentinstag bewusst in den Blick zu nehmen.
Vielleicht schenken Sie heuer nicht nur ihren Liebsten Blumen oder Aufmerksamkeit, sondern denken bewusst an Singles, von denen Sie wissen.

Vor einem Jahr war ich Single und ich erinnere mich gut an meine Traurigkeit nach der Segensfeier für Liebende, die wir im Zürcher Brockenhaus gestaltet haben und die einfach nur wunderschön war. Immerhin hatte ich die Möglichkeit, trotz meiner inneren Traurigkeit vielen Paaren Freude zu bereiten. Viele haben nicht mal diese Möglichkeit, so isoliert sind sie.

Ich wünsche mir zum Valentinstag, dass viele Menschen die Augen öffnen für die traurigen Augen der Einsamen. Und ich wünsche mir, dass wir in unserer Politik nicht immer nur über die wirtschaftlichen Folgen unserer Massnahmen sprechen. Die Politik müsste sich noch mehr um gute Netzwerke, alternative Wohnformen und überhaupt um eine Ökonomie kümmern, die das Bruttosozialprodukt über den Profit stellt.

Meinrad Furrer

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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