Alois Hudal – eine typisch katholische Verwirrtheit

Soeben gelesen (eigentlich nur als Vorbereitung auf Philippe Sands «Die Rattenlinie»): Johannes Sachslehner. Hitlers Mann im Vatikan. Bischof Alois Hudal. Ein dunkles Kapitel in der Geschichte der Kirche. Wien-Graz. 2019. 287 Seiten.

Biographisches in Kürze: Alois Hudal (1885-1963). Arbeiterfamilie mit slowenischen Wurzeln. Priester der Diözese Graz-Seckau. Dr.theol. Professor für Altes Testament in Graz. Rektor des päpstlichen Kollegiums Santa Maria dell’Anima in Rom. Titularbischof von Ela. Fluchthelfer für Kriegsverbrecher nach 1945.

Sachslehner, Dr.phil., Lehrbeauftragter in Wien, legt hier ein Fleisswerk vor, das aber bald nach Erscheinen auch auf Kritik stiess. Rupert Klieber, a.o. Professor für Kirchengeschichte in Wien, etwa wirft dem Werk schlechte Quellenarbeit und eine gewisse Voreingenommenheit vor, so dass es historisch gesehen eher einen Bärendienst als Aufklärung leiste (Interview mit kathpress 2019). Mit spitzer Zunge bemerkt er auch, dass eben das Prinzip «Hitler sells» gelte und Literatur zu dieser Zeit bewusst reisserisch aufgemacht werde. (Ob es da auch um einen Hahnenkampf zweier Wissenschaftler, die im selben Gebiet forschen und etwa gleich alt sind, geht?)

Zunächst zum letzten Punkt der Kritik Kliebers: Ja, das Buch mit seinem Haupttitel «Hitlers Mann im Vatikan» und einer Fotografie über den ganzen Einband, mit der suggeriert wird, Hudal hätte 1937 bei seinem Nietzsche-Referat vor der gesamten österreichischen Kirchenprominenz den Hitlergruss gezeigt, tritt unnötig reisserisch auf. Ob das dem Autor oder dem Verlag anzulasten ist? Auf jeden Fall unnötig.

Nun aber zum Inhalt. Ich nannte das Buch schon eine Fleissarbeit, denn es zitiert wie wild und dies bis zum abrupten Ende, ohne irgendwie – das würde ich schon erwarten – seriöse conclusiones vorzulegen. Mit dem Bericht über Hudals Tod (1963) und dem Erscheinen seiner Memoiren etliche Jahre (1975) später bricht es auf Seite 265 mit der eher plumpen Erwähnung, dass noch 1978 vier Studenten «Hudal-Stipendien» erhielten, einfach ab.

Was für ein Mensch taucht hinter dieser riesigen Menge von Zitaten, Dokumenten und Berichten von Zeitzeugen auf? Wie ich im Titel schrieb, war Hudal ein typisches Beispiel, was das katholische System und sein Systemdenken aus einem Menschen machen kann. Lassen sie mich fernab der Darstellung Sachlehners so formulieren: Ein hochintelligenter, ehrgeiziger und skrupelloser Kleriker, zu raffinierten Winkelzügen fähig, dies alles aber auf Basis der tiefen Überzeugung, dass das deutsche Volk und das deutsche (Übermenschen)Wesen den Höhepunkt der Geschichte darstellen und dass sie 1918 verraten und verlassen wurden. Seine Feinde sind der Bolschewismus und das mit ihm verbandelte Judentum. Die Nazis will er als Verbündete für seinen Kulturkampf gewinnen, widmet ihnen und Hitler sogar ein Buch (»Die Grundlagen des Nationalsozialismus», 1936), und erkennt bei ihnen nebst einem national-christlichen einen schädlichen neuheidnischen Flügel, den es zu überwinden gelte. Mit ihm verbindet er Leute wie Rosenberg und Goebbels.

Hudal scheitert total. Die Nazi-Führung lehnt seine Anbiederungsversuche ab; den Päpsten Pius XI. und Pius XII. wird er immer unheimlicher, nach dem Krieg auch zur Belastung, wie seine Versuche, möglichst vielen Kriegsverbrechern beizustehen (dies mit Hilfe einer Unmenge Blanko-Staatenlosen-Ausweise des IRK, die er ergattert hatte), publik werden. Abgesetzt emigriert er in die Colli Albani, wo er seine Memoiren schreibt. Bis zum Ende bleibt er bei seiner Grundüberzeugung, dass das «ignorante, denkfaule, essgierige Volk» nur «Judenblätter» lese, und es so keine «nationale Auferstehung» gebe. Bei der Verleihung des Goldenen Doktordiploms 1961 posiert er aber ungeniert neben Bruno Kreisky (damals Aussenminister).

Meine Schlusskommentare: Unglaublich, für einen Alttestamentler undenkbar. Unglaublich für einen Menschen mit slawischen Wurzeln, doch von Joseph Roths Familie Trotta (»Radetzkymarsch», «Kapuzinergruft») kann man viel lernen.
Wie kam das? Wer sich eben von Jugend an vom katholischen System zugleich faszinieren und verbeugen lässt, aber im Innersten Fanatiker ist, fällt auf die Nase. Keine Schadenfreude, nur bitteres Mitleid.

Heinz Angehrn

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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