Doktrin – wahre Lehre – Lehramt

Termini wie die obigen durchziehen ganze Seiten und Spalten in der aktuellen Mediendiskussion im Gefolge der Churer Nicht-Bischofswahl. Doch wieder einmal sind es tückische Termini wie so oft, sobald eine Diskussion den Bereich des streng mathematisch Beweisbaren verlässt und am Rande verschiedenster Ideologien kreist. Natürlich ist die korrekte Verwendung solcher Termini, sobald sie als absolut, sprich Inhalte als vorgegebene Wahrheit verstanden werden, nur innerhalb des «Sprachspiels» einer streng und konsequent geschlossenen Gruppe möglich. Und eine solche Gruppe, liebe Kollegen/innen, liebe Mitdenkende, liebe Widersprechende, (lieber Martin!), ist die katholische Kirche nicht mehr! Sie war es wohl auch nie, aber innerhalb klar geschlossener kulturell-geographischer Regionen, wie es etwa Mitteleuropa lange war, konnte dieser Eindruck entstehen. Ich weiss ja nicht, wie es Kollegen/innen erging, die das katholische Irland wie ich intensiv erleben konnten: Für mich war diese Welt, auch und gerade in ihrer Glaubenssubstanz, nicht dieselbe wie die in der Deutschschweiz oder im Ticino. Wer etwa die streng asketischen Wallfahrten zum Kloster im Lough Derg verfolgte, war bass erstaunt.

Also was ist sie denn nun, diese «wahre Lehre», diese «Substanz», diese Doktrin des Katholischen? Ist es (alles bloss Vorschläge) der Inhalt des Codex von 1917 oder des aktuellen von 1983; ist es der Inhalt des Katechismus von 1992; sind es die Dogmen des ersten Jahrtausends bis zur Abspaltung der Ostkirchen oder aber alle Dogmen, auch die nach der Reformation; sind es die Formulierungen des Tridentinums von 1545-1563 oder nur die des letzten Konzils, des Zweiten Vaticanums; ist es vielleicht alleine das Dogma von 1870; sind es die gesammelten Enzykliken der Päpste der Neuzeit; ist es einfach das ganze Enchiridion Symbolorum; oder – wohl der schrecklichste Gedanke für manche Doktrinäre – ist es etwa gar das Neue Testament, die neutestamentlichen Schriften zumal, die klar im ersten Jahrhundert entstanden sind (Synoptiker, 1 Kor, Röm, Gal etc.)?
Ich wage zu behaupten, dass es zu viele Sprachspiele auch innerhalb der Führungsetage des Katholizismus (zu der ich den Papst, die vatikanischen Behörden, die Bischöfe und die Theologieprofessoren/innen aller Kontinente zähle) gibt, um so klipp und klar zu definieren, wie wir gerne wollten.

Unser aktuell oberster Chef, Papst Franziskus, macht es uns nicht gerade einfach, hier klar zu ordnen. Ich zitiere, was er in neuester Zeit unter anderem äusserte bzw. äussern liess:
a) Gottesdienste in der katholischen Kirche sollen nach dem Willen von Papst Franziskus eine größere kulturelle Vielfalt widerspiegeln. So könne der 1988 anerkannte kongolesische Ritus als «Beispiel und Vorbild für andere Kulturen» dienen. Das sagte das Kirchenoberhaupt am Dienstag in einer Videobotschaft. Schon nach der Amazonas-Synode im Oktober 2019 hatte Franziskus angeregt, für Amazonien eine eigene Liturgie mit Ausdrucksformen indigener Völker zu schaffen.
b) Papst Franziskus hat Kirchenreformen nach allein demokratischen Maßstäben eine Absage erteilt. Die Existenz der Kirche beziehe ihren Sinn aus der Verwurzelung in Christus, betonte er in seiner wöchentlichen Videoansprache. Unabdingbar seien das Hören auf die Lehre der Apostel, geschwisterliche Gemeinschaft, die Feier der Sakramente und das Gebet, so Franziskus. Alles, was in der Kirche jenseits dieser Eckpunkte wachse, sei ohne Fundament und «auf Sand gebaut».
c) Der Heilige Vater hatte zunächst einen pastoralen Hinweis auf die Notwendigkeit gegeben, dass innerhalb der Familie der Sohn oder die Tochter mit einer homosexuellen Orientierung niemals diskriminiert werden dürfe. Der Papst sagte: «Homosexuelle Menschen haben das Recht, in einer Familie zu sein; sie sind Kinder Gottes, sie haben das Recht auf eine Familie. Niemand darf aus der Familie hinausgeworfen werden oder ihnen das Leben unmöglich machen.»

Es folgert für mich, dass jenseits der Aussagen des Religionsgründers Jesus von Nazareth kaum etwas wirklich einheitlich Substantielles zu greifen ist, auf das sich irgendein Theologe, irgendein Kirchenfürst oder irgendeine Laiengruppe als «absolut» stützen könnte. Aber die Aussagen Jesu sind greifbar und sehr klar. Man(n) erlaube mir zum Schluss eine Auswahl dessen, was ich – seit ich die Bibel mit etwa 16 ernsthaft zu lesen begann – als wirklich «wahre Lehre» erachte:

I ging Jesus wieder nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium (Mk 1,14-15)

II Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes. Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet satt werden. Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen. Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und aus ihrer Gemeinschaft ausschließen, wenn sie euch beschimpfen und euch in Verruf bringen um des Menschensohnes willen. Freut euch und jauchzt an jenem Tag; euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn ebenso haben es ihre Väter mit den Propheten gemacht. Aber weh euch, die ihr reich seid; denn ihr habt keinen Trost mehr zu erwarten. Weh euch, die ihr jetzt satt seid; denn ihr werdet hungern. Weh euch, die ihr jetzt lacht; denn ihr werdet klagen und weinen. Weh euch, wenn euch alle Menschen loben; denn ebenso haben es ihre Väter mit den falschen Propheten gemacht. Euch, die ihr mir zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln. Dem, der dich auf die eine Wange schlägt, halt auch die andere hin, und dem, der dir den Mantel wegnimmt, lass auch das Hemd. (Lk, Feldpredigt)

III Da rief Jesus sie zu sich und sagte: Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele. (Mk 10,42-44)

IV Ihr aber sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder. Auch sollt ihr niemand auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel. Auch sollt ihr euch nicht Lehrer nennen lassen; denn nur einer ist euer Lehrer, Christus. Der Größte von euch soll euer Diener sein. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden. (Mt 23,8-12)

Heinz Angehrn

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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