Vom Sternenkoch zum Abt

Mauritius Choriol arbeitete früher in der Spitzengastronomie als Souschef einer Sternenküche. Nun leitet er das älteste Kloster Deutschlands, die Benediktinerabtei Tholey. Dort steht er täglich am Herd und kocht für seine Brüder und die Gäste. Jeder Besucher soll im Kloster «wie Christus aufgenommen werden».

Mauritius Choriol steht am Herd und bereitet ein deftiges Essen vor: Kalbsleber mit Bratkartoffeln und Selleriepüree. Normalerweise trägt er den Habit der Benediktiner, ein schwarzes Gewand mit Kapuze. Nun hat er statt der Ordenskleidung eine Kochschürze an. Choriol ist Abt der Benediktinerabtei Tholey im Saarland – und war in seinem früheren Leben die tragende Säule einer Sterneküche, schreibt der «Tages Anzeiger» und die «Süddeutschen Zeitung».

Mauritius Choriol machte seine Kochausbildung an der renom- mierten École Hôtelière in Strassburg und  lebt den Glauben an die sinnstiftende Kraft des Kochens. «Wer zu uns kommt, soll gut essen und vielleicht Gott begegnen, gerne auch zwischen den Kochtöpfen», sagt der gebürtige Elsässer mit warmer Stimme und französischem Akzent.

Gastfreundschaft der Benediktiner 

Gefüllter Schweinefuss, Brot mit Walnüssen, Quark mit Kräutern aus dem Klostergarten, manchmal Austern und eine gute Flasche Wein – die Lieblings-Genussmittel von Abt Mauritius klingen sehr weltlich. Dennoch ist die Kontemplation, das Hineinversenken in den Geist, eines der obersten Prinzipien des Klosterlebens. Kulinarischer Genuss und christliche Spiritualität, wie passt das zusammen? Als Mönch in Armut zu leben bedeutet, keinen persönlichen Besitz zu haben und stattdessen alles in Gemeinschaft zu teilen. Zu den Prinzipien des Benediktinerordens gehörte schon immer, dass die Mönche und Nonnen im Leben stehen und sich an ihre Umgebung anpassen.

Ihr Lebensstil soll bodenständig und ausgewogen sein, und dazu zählt auch, dass sie sich ordentlich ernähren, Bier brauen und Wein trinken dürfen. Die Gastfreundschaft der Benediktiner ist legendär. Jeder Besucher soll im Kloster «wie Christus aufgenommen werden», heisst es in den Ordensregeln. Schliesslich sind Brot und Wein zentraler Bestandteil der christlichen Liturgie. Mauritius Choriol freut sich, wenn es seinen Gästen schmeckt: «Religion hat auch mit Gefühl zu tun, mit dem einfachen Leben, mit Sinnesgenuss, nicht nur auf intellektueller Ebene mit Theologie.» Er hatte sich oft die Frage gestellt: «Gott, warum bin ich auf dieser Welt? Was macht mich glücklich?» 

Alkoholpegel ist festgelegt

Benedikt steht nicht für Askese, er plädierte für gemässigten Genuss. Aber was ist das richtige Mass? Das ist bei den Benediktinern genau festgelegt, es gibt Regeln für das «Mass der Speise» und das «Mass des Getränks», detaillierte Ausführungen über die Pflichten bei Tisch und in der Küche. Benedikt von Nursia legte auch den Alkoholpegel fest: «Für jeden täglich eine Hemina ist ausreichend» – ein altes römisches Mass mit einem Volumen von 0,274 Litern. Wein gibt es in der Abtei Tholey nur zu kirchlichen Hochfesten und zu runden Geburtstagen ab 80 Jahren, an normalen Sonntagen wird Bier ausgeschenkt. Wochentags gibt es keinen Alkohol, Fleisch kommt an maximal drei Tagen die Woche auf den Tisch. 50 Prozent des Tages verbringen die Fratres mit sich allein. Das gelinge nur mit «tranquilitas», also mit Seelenruhe, erklärt Choriol, der auf die Frage «Lebt es sich im Kloster nun glücklicher? Sagt: «Man hört die Stimme Gottes deutlicher.»

Markus Baumgartner

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