Tür zu – Erfahrungen einer Abgelehnten

Die gegenwärtige Nachwuchskrise stellt Ordensgemeinschaften vor Herausforderungen: Sie wollen offen für potentielle Neumitglieder sein, gleichzeitig aber möglichst sicher gehen, dass Menschen, die sich ihnen anschliessen, den Anforderungen ihres Gemeinschaftslebens gewachsen sind. Ich schreibe diesen Beitrag aus einer Perspektive, die bis jetzt zu diesem Thema kaum zu Wort kommt – der einer Abgelehnten.

In den letzten Jahren hatte ich als Interessentin Kontakt mit einem knappen Dutzend apostolischer Ordensgemeinschaften, die meisten davon der ignatianischen Spiritualität verbunden. Von den Gemeinschaften, bei denen ich mir zunächst einen Eintritt vorstellen konnte, teilten mir einige sehr schnell mit, dass dies für mich nicht in Frage kommen konnte, bei anderen begann ein längerer Prozess des Kennenlernens mit dem gleichen Resultat. Zweimal wurde ich nach ca. einem Jahr vor dem ersten «offiziellen» Schritt, dem Beginn einer Kandidatur, abgelehnt.

Eine völlig unkomplizierte Interessentin war ich sicher nicht: Eine traumatisierende Kindheit konnte ich erst ab Mitte 40 (erfolgreich) therapeutisch aufarbeiten, inzwischen bin ich über 50. Die ersten Gemeinschaften lernten mich kennen, als ich mitten im therapeutischen Prozess war, da wäre ein Eintritt aus meiner heutigen Sicht tatsächlich verfrüht gewesen. Jedoch halte ich für überlegenswert ist, warum Menschen wie ich auch jetzt noch nicht als Kandidatin zugelassen werden.

Ein mir wiederholt angegebener Grund war meine Trauma-Vergangenheit. Offenbar gibt es in Ordensgemeinschaften Erfahrungen mit betroffenen Mitschwestern, die für die Gemeinschaft belastend sind. Man befürchtet, dass ich den Anforderungen des Gemeinschaftslebens nicht voll gewachsen bin.

In diesem Zusammenhang habe ich mehrfach angeboten, dass alle Beteiligten mit Hilfe psychologischer Fachleute eine Vorstellung davon bekommen, wo Schwierigkeiten für mich bzw. die Gemeinschaft im Zusammenleben liegen könnten, um so zu einem fundierteren Urteil zu kommen. Dies wurde nie aufgegriffen, auch dann nicht, wenn die Gemeinschaft im Rahmen ihres Zulassungsprozesses eine psychologische Beurteilung vorsieht. Es scheint, als ob PsychologInnen (wenn überhaupt) nur hinzugezogen werden, wenn eine Frau an sich geeignet scheint – die Möglichkeit, dass eine Interessentin irrtümlich für aus psychischen Gründen ungeeignet gehalten werden könnte, scheint nicht bedacht zu werden. Hier würde ich mir eine grössere Offenheit für einen Austausch mit Fachleuten wünschen.

Ein zweiter Punkt: In den letzten Jahren wurde mir kein einziges Mal mitgeteilt, man habe erkannt, dass ich für diese Gemeinschaft ungeeignet sei. Stattdessen hiess es jeweils in etwa «Wir sind uns nicht sicher, ob wir dauerhaft mit dir leben könnten.» Dazu ist wichtig, zu verstehen, dass ein Eintritt in eine Ordensgemeinschaft ein mehrjähriger Prozess ist, gerade in ignatianischen Gemeinschaften können fast 10 Jahre bis zur endgültigen Bindung vergehen. Die ersten Jahre dieses Prozesses sind explizit dafür vorgesehen, sich gegenseitig gut kennenzulernen, so dass sowohl die Eintretende als auch die Verantwortlichen der Gemeinschaft prüfen können, ob diese Lebensweise wirklich für alle Beteiligten gut und fruchtbar ist. Postulat und Noviziat werden dafür eigens durch unterschiedliche Projekte strukturiert, grundsätzlich ist es während dieser Jahre jederzeit möglich, den Prozess abzubrechen.

Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass mich Gemeinschaften, die sich nicht sicher waren, jeweils vor Beginn einer Kandidatur, die den allerersten Anfang dieser langen Periode bildet, abgelehnt haben. Hintergrund für diesen frühen Entscheidungspunkt könnte sein, dass Gemeinschaften sich schwer damit tun, Frauen wieder wegzuschicken, die längere Zeit mit ihnen gelebt haben. Auch hier scheinen schwierige Erfahrungen unter den Ursachen zu sein – eine schwere Krise einer Novizin etwa, die die Gemeinschaft verlassen musste, kann belastend für (ehemalige) Mitschwestern sein und begründen, dass die Verantwortlichen solche Situationen gerne vermeiden möchten. Andererseits hat dieses Risiko-vermeidende Verhalten zur Folge, dass Frauen abgelehnt werden, die potentiell geeignet sowie in der Lage sind, das Risiko einer späteren Entlassung einzugehen. Somit wäre es in meinen Augen sinnvoll, die Phasen von Postulat und Noviziat für ihren vorgesehenen Zweck zu nutzen, und nicht schon im Vorfeld Entscheidungen zu treffen, für die man sich eigentlich noch nicht gut genug kennt.

Und ein Drittes: Von einigen Gemeinschaften wurde mir mitgeteilt, dass mein Alter irrelevant für ihre Entscheidung sei, in anderen war es klar Ablehnungsgrund. Dies normalerweise in dem Zusammenhang, dass das Noviziat der Gemeinschaft nicht für Frauen in meinem Alter geeignet sei. Dafür gab es unterschiedliche, grundsätzlich einleuchtende, Gründe. Allerdings kann hier die Gefahr eines Ziel-Mittel-Konflikts bestehen: Das Noviziat ist gedacht als ein Mittel zur Unterstützung des Ziels, Frauen ein fruchtbares Leben in Gemeinschaft zu ermöglichen. Wenn eine Frau dazu geeignet scheint, dieses Ziel zu erreichen, das aber in einem gegebenes Noviziat nicht möglich ist, dann ist dies keine Begründung dafür, das Ziel aufzugeben. Stattdessen würde es darum gehen, andere Mittel zu finden und zu entwickeln. Ein individueller strukturiertes Noviziat wäre bei den heute meist niedrigen Novizinnen-Zahlen vielleicht eine Möglichkeit, eventuell kämen auch neue Formen der dauerhaften Mitgliedschaft in Frage. Hier würde ich mir mehr Offenheit für neue, kreative Lösungen wünschen.

Apostolische Ordensgemeinschaften existieren um der Menschen willen, denen sie helfen wollen. Die Gemeinschaften, bei denen ich Interessentin war, setzen sich auf vielfältige Weise dafür ein, dass sich in Kirche und Welt etwas zum Besseren ändert. Sie werden auch in Zukunft gebraucht. Daraus erwächst nach meiner Einschätzung nach Verpflichtung zu einem verantworteten Umgang mit Interessentinnen, ohne vorschnelles Urteilen oder Ablehnungen von Frauen ohne Notwendigkeit, die möglicherweise Wertvolles zu dieser Zukunft beitragen könnten. Ich hoffe, dass dieser Beitrag zu einem Austausch innerhalb und unter Gemeinschaften über ihre derzeitige Praxis und mögliche Veränderungen beitragen kann – zum Wohl der Gemeinschaften und vor allem für die Menschen, denen ihr Einsatz gilt.

Karin Reinmüller

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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