Müssen wir uns wegen dem «Christlichen» schämen?

Wir werden eingeladen, kritisch über das Verhältnis von Kirche und Gesellschaft nachzudenken; vor allem, aber nicht nur am Bettag. Als Beispiel möchte ich nur ein Konfliktfeld kurz behandeln, über das seit einigen Wochen und Monaten heftig diskutiert wird: die Frage, ob eine Partei das C, das Christliche aus dem Namen streichen soll. Ich möchte hier selbstverständlich nicht für ein Ja oder ein Nein werben.

Aber zwei Aspekte geben mir zu denken: Oft wird gesagt, das C bedeute im Grunde «katholisch». Und wer in der Öffentlichkeit Erfolg haben wolle, müsse sich von der katholischen Kirche distanzieren. Man denkt da an die vielen Skandale – Stichwort sexueller Missbrauch. Oder an die nicht mehr zeitgemässen Vorschriften, die auch unter Papst Franziskus aus dem Vatikan kommen.

Ich will hier nichts beschönigen. Aber es sei wieder einmal daran erinnert: Es gibt nicht nur sündige Priester. Und: Nicht der Vatikan ist die Kirche. Diese lebt vor allem an der Basis, ganz besonders in den Pfarreien. Und hier geschieht viel Gutes, über das wir uns freuen dürfen. Sie selber können es ja immer wieder persönlich erfahren.

Eine zweite Überlegung, die im Streit um das Hohe C immer wieder gemacht wird. Auch wenn das C nicht in Bezug zu katholisch steht, sondern christlich bedeutet, meinen viele, es sei störend, überholt. Vor allem diese Argumentation gibt mir sehr zu denken.

Ich weiss, dass unsere Gesellschaft nicht mehr rein christlich ist. Es gibt immer mehr Schweizer, die zu keiner Kirche gehören. Ebenso gibt es immer zahlreichere Muslime, Hindus oder Buddhisten.

Trotzdem: Christliche Werte prägen immer noch unsere Gesellschaft. Nur ein einziges Beispiel: die Rücksichtnahme auf die Schwachen, die gerade während dem Corona-Lockdown sehr ausgeprägt war. Auch wenn dabei nicht ausdrücklich auf den Glauben Bezug genommen wurde: Ohne die Botschaft Jesu, die auch den Geringsten als vollwertigen Menschen ansieht, wäre dies kaum möglich gewesen. Oder wie der Schriftsteller Jürg Ammann zum Bettag geschrieben hat: «Ohne die Behauptung des Göttlichen ist das Menschliche nicht zu bewahren.»

(…) Muss es uns nicht zu denken geben, dass für viele Zeitgenossen und Eidgenossen christlich zum Schimpfwort geworden ist; etwas, für das man sich schämen muss? Etwas, das dem Erfolg im Wege steht.

Doch positiv ausgedrückt: Der Konflikt um das C ist für uns christliche Menschen eine Herausforderung: 

Nächstenliebe und nicht das Geld soll unser Wegweiser sein, auch im Konsumverhalten ober bei Wahlen und Abstimmungen.

Und zum Schluss: Es würde vielleicht helfen, uns wirklich christlich zu verhalten, wenn wir uns wenigstens hie und da fragen würden: Was würde Jesus tun? Hier und heute, an meiner Stelle.

(Bettagspredigt: Sa Elisabethenheim, Luzern; So Pfarrkirche Gettnau LU)

Walter Ludin

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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