Unfug im Quadrat

Das Kind samt dem Bade ausschütten – das war noch nie eine adäquate Idee, um Probleme, zum Beispiel die Tatsache, dass das zu badende Kind erheblich schmutzig war, zu lösen. Aber genau das tut der laut schreiend-moralisierende Mainstream, der durch die Kulturlandschaft, durch die geisteswissenschaftlichen Fakultäten und auch durch gewisse Feuilletons weht und wütet. Der hier Schreibende kann nicht anders als der Minderheit, die sich gegen die neuen absolutistischen Dogmen wehrt, zuzustimmen, auch wenn ihm manche ihrer Vertreter/innen einigermassen dubios erscheinen…

Ich möchte mich in Zukunft hier noch intensiver über dieses Thema auslassen, auch anhand der neuen moralisch-religiösen Dogmen, die da geschaffen wurden. Ich möchte auch gerne aufzeigen, dass Poppers «Feinde der offenen Gesellschaft» an ganz anderen Orten hocken können, als man gemeinhin vermutet. Doch heute nur ganz harmlose Beispiele anhand der Weltliteratur:

Lady Agatha Christie gab einem ihrer besten Krimis bekanntlich den Titel «Ten little niggers». Der Titel ist bewusst gewählt, denn im einsam auf einer Insel gelegenen Herrenhaus, in dem ein raffinierter Rache-Mörder zehn Menschen umbringt, die ihrerseits ungesühnt gemordet haben, steht eine Tischdekoration mit zehn kleinen Eingeborenenfiguren, von denen nach jedem Mord eine verschwindet. Diese Figuren gaben dem Roman den Titel. Dass er durch «Ten little indians» ersetzt wurde, machte die Sache nicht besser. Dann kam es zum langweiligen «And then there were none». Warum beim besten Willen kann man nicht Titel und Plot genau so stehen lassen? Als Lady Agathas bestverkaufter Krimi 1939 erschien, war das Wort «nigger» so unbedenklich wie auch noch 25 Jahre später in Martin Luther Kings Rede.

Wenn man diese berüchtigte Korrektheit nun nicht nur auf den Titel, sondern auf den Inhalt anwendet, dann dürfte Shakespeares «Mohr von Venedig», Othello, weder als Tragödie (1604) noch als Oper (G.Verdi, 1887) mehr aufgeführt werden. Denn Othello ist und bleibt ein Mohr, ein Schwarzer, und genau darum geht es Shakespeare ja, wenn er ihm diese Mischung von Minderwertigkeitsgefühl und Aggressivität zuschreibt. Und dass die Sache ästhetisch-logisch dann am tollsten ist, wenn man Desdemona als blonden Unschuldsengel durch die Szene irren und sich erwürgen lässt, ergibt sich von selbst.

Warum ihr moralisierenden Spassverderber/innen:
– gesteht Ihr nicht den Lesenden/Zuschauenden zu, dass jede/r selber (be)denken und zuordnen kann?
– nehmt Ihr der Sprache ihre Faszination, wenn Ihr sie durch die Mangel einer rotgrünen Juristerei drehen wollt?
– zerstört Ihr willentlich wertvolles Kulturgut?

Heinz Angehrn

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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