Die «militante Nostalgie»

Zunächst amüsant, dann aber echt spannend ein Gastbeitrag des Physikers, Philosophen und Jazzmusikers (was für eine neid-einflössende Mischung!) Eduard Kaeser in der NZZ vom 7.August auf S.9 mit dem Titel «Der faule Zauber der guten alten Zeit».

«Make America great again» – könnte auch «make Turkey great again», könnte auch «make the Empire great again» und vieles mehr heissen, so fasst er historische und psychologische Geistesarbeit zusammen und verweist nicht ohne Humor auf den Umstand, dass schon im 17.Jahrhundert der Schweizer Mediziner Johannes Hofer «Nostalgie» als eine Art Sucht-Krankheit verstand. Die Sehnsucht nach den guten alten Zeiten als Sehnsucht nach den einfachen klaren Erklärungsmustern der guten alten Patriarchen-Autoritäten versus diese dekadente verfallende moderne Welt mit Multi-Kulti, Gender, LGBT und allen die Geschichte mit Dreck überziehenden Wissenschaftler/innen…

Kaeser:
«Nostalgie ist nicht harmlos. So erstaunt und beängstigt immer wieder die Überschussenergie, mit der dieses eher sanfte melancholische Gefühl in Aggressivität und Brutalität umschlagen kann.»
oder:
«Hier mutiert der Mythos der guten alten Zeit zur infektiösen Falschheit, die unser intellektuelles Immunsystem angreift: eine Art von Aids im Geist. Leicht nutzen machtversessene Propagandisten, vorwiegend in Zeiten, in denen es kriselt, diesen Immundefekt, um Sehnsüchte nach einem früheren ‘unverdorbenen’ Menschentypus zu schüren.»

Ich füge noch an:
Nietzsches Wut über den mitfühlenden und sensiblen Christen-Menschen
Das Aufkommen der NSDAP als Folge des Zerfalls einer alten Welt mitten im Babylon Berlin
Die reaktionären Kardinäle, die sich nach seligen Zeiten wie die der Inquisition und des Dogmas von 1870 sehnen
Donald, Victor, Matteo, Alexander, Jair etc.

Kaeser: «Warum lernen wir nicht aus der Geschichte?»
Wie wahr.

Heinz Angehrn

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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