Jesuiten im Weltraum

Das vorgesehene Sonntagsevangelium enthält die Zusage Jesu (Matthäus-Evangelium, Kapitel 10), dass kein Spatz zur Erde fällt ohne den Willen des Vaters – und wir uns nicht fürchten sollten, weil wir wertvoller sind als viele Spatzen.

Genau diese Aussage hat dem Buch «The Sparrow» (deutsch: Der Sperling) von Mary Doria Russell, einer Anthropologin, die als ehemalige Katholikin zum Judentum konvertierte, seinen Titel gegeben. Formal ist es als Science fiction konstruiert, in dem sich eine Gruppe von Jesuiten und Freunden auf eine Weltraumexpedition aufmachen, nachdem sie in den Radiosignalen eines fremden Planeten wunderbaren Gesang entdeckt haben, der nur von intelligenten Wesen stammen kann. Jahre später findet eine Suchmannschaft den einzigen Überlebenden, Emilio Sandoz, als Prostituierten in einem Bordell der Bewohner dieses Planeten, körperlich schwer verletzt und völlig traumatisiert. Das Buch erzählt in parallelen Strängen die Geschichte dieser Expedition und der «Therapie» von Emilio Sandoz, der ihren Aufbruch als Geschenk Gottes verstand – und damit leben muss, dass dieser Gott grausame Zerstörung zugelassen hat.

Die grossartigen Sänger des neu entdeckten Planeten haben nämlich einige sehr dunkle Seiten – und ausgerechnet die Neuankömmlinge, die versuchen, alles richtig zu machen, bringen trotz ihrer Bemühungen ein fragiles System aus dem Gleichgewicht. Als sie das Grauen erkennen, das der dortigen Gesellschaftsstruktur zugrunde liegt, ist es zu spät – sie können nur noch an der Seite der Schwächeren gemeinsam mit ihnen verlieren.

Sandoz kennt nach seiner Rückkehr nichts mehr als Wut auf den Gott, von dem er sich so beschenkt glaubte. Die Menschen um ihn, die versuchen, ihm zu helfen, verstehen erst nach und nach, was der Grund für seinen unbändigen, selbstzerstörerischen Zorn ist. «Kein Spatz fällt ohne den Willen Gottes zur Erde», zitiert einer am Ende Matthäus. «Aber der Spatz fällt trotzdem», ergänzt ein anderer. Das hat Sandoz erlebt – und in dem Moment, als er darüber sprechen und den anderen zumuten kann, dass er Schrecklicheres erlebt hat, als sie sich ausmalen konnten, da verfliegt seine Wut auf Gott. Aber erst dann.

Es gibt leicht gesagte Sätze, mit denen Menschen versuchen, einander zu trösten. «Du kannst nicht tiefer fallen als in die Hände Gottes» ist so einer. Es gibt Menschen, denen diese Vorstellung hilft. Andere haben erlebt, dass Gottes Hände, wenn sie denn da sind, sehr, sehr tief liegen. So tief, dass sie nicht bewahren. Dieses Buch erzählt davon, dass Gott so ist – und dass es wichtig und heilsam ist, darüber reden zu können.

Karin Reinmüller

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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