Vor 40 Jahren

habe ich mit den/r Linken gebrochen. Der Grund: Die Zürcher Opernhauskrawalle und die Reaktionen der unterschiedlichen politischen Parteien darauf/danach. Da damals für manche meiner alten Kommilitonen dieser Gesinnungswechsel wohl überraschend kam (es war ja auch der Abschied vom Studium im selben Sommer, und wir konnten uns kaum mehr sehen), sei dies nochmals rekapituliert.

Wer als Kind einer Arbeiterfamilie das Glück hatte, in den 70er Jahren das Gymnasium zu besuchen und danach zu studieren, der vergisst zunächst nicht, wem er dieses Privileg verdankt. Bei mir war das mein Vater, der in einer Brauerei schuftete, war es seine Gewerkschaft (der VHTL) und der Gewerkschaftsbund, dessen Sekretär meinen Eltern half, damit ich ab Beginn des Gymnasiums Stipendien erhielt, und damit die damalige «politische Linke» schlechthin. Die CVP und ihre katholische Elite hingegen erlebte ich als Gymnasiast als Gegenpol, ab dem Aufgebot zur militärischen Aushebung sogar dezidiert als politischen Gegner (ich weigerte mich, bewaffneten Dienst zu leisten und war in dem Zirkel ab dem Moment persona non grata). Und da ich überzeugt war, dass man sich als junger Bürger dieses Landes politisch engagieren sollte, war meine politische Heimat von 1973 bis 1981 die Sozialdemokratie (wenn ich auch mit der Anrede «Genosse», dem ewigen Duzen und noch mehr mit dieser kommunistischen Hymne nichts anfangen konnte – da war’s mit der Linken wie mit dem Militär, wie mit den Verbindungen, all diese uniformierenden Rituale – sie stiessen und stossen mich ab).

Doch ich schweife ab, kehren wir zurück zum Schicksalsjahr 1980. In Zürich war das aus meiner Sicht wichtigste und edelste Haus zu renovieren, das Opernhaus oben am Sechseläutenplatz. (Wer sich nicht gründlich in der Operngeschichte auskennt, dem sei hier mitgeteilt, dass es das Opernhaus war, das als erstes Richard Wagners «Parsifal» ausserhalb von Bayreuth, noch halb verboten, aber man war in der freien Schweiz, aufgeführt hatte. Grosse Tat! Noch grösser war dann, dass ich noch als Kantonsschüler genau in diesem Haus den ersten «Parsifal» meines Lebens gesehen hatte. Etwa von der dritten Galerie, weit entfernt, aber es war gewaltig.)

Nun denn, Chaoten übler bis übelster Sorte stürmten die Zürcher Strassen, randalierten, zerstörten, bekämpften eine so genannte «Oberschicht», die sie diesem Hause zuordneten, und vergassen, dass immer schon, während gefühlten Äonen, Menschen aller sozialen Schichten sich dieser Kunstform zugehörig fühlten (und, gerade wenn sie nicht zum «Establishment» gehörten, zum Teil stundenlang anstanden, um billige Karten für Signor Pavarotti und Signora Freni zu erhalten – ich bezeuge es mit klammen Fingern aus dem eiskalten Münchner Winter 1977!). Stattdessen grölten sie «macht aus dem Staat Gurkensalat», veräppelten die Fernsehzuschauer und benahmen sich schlechthin unwürdig, ja auch kriminell. Und was taten die Linken? Äusserten Sympathie, sprachen über das Grosskapital, brüllten und beschädigten mit.

Da, geneigte/r Leser/in, endete meine Freundschaft mit der Linken abrupt. Da begann auch eine gewisse Sympathie für «law and order». Alles hatte und hat seine Schmerzgrenzen.

Heinz Angehrn

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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