Lock-Down und Kirche

In dieser Frage habe ich mir vorgenommen, bis zum Ende der harten Massnahmen zu schweigen. Bald einmal wurde nämlich klar, dass das quasi totale Gottesdienstverbot auch zum Anlass und Tummelplatz für religiöse Extremisten jeglicher Couleur werden könnte. Und das wurde es dann ja auch. «Veritas liberabit vos» – ich hätte einfach nicht damit gerechnet, dass sich auch katholische Würdenträger auf diesen Tummelplatz stürzen würden! Noch weniger, dass auch Kurienkardinäle im Umfeld dieses Pamphlets gesichtet wurden. Auch nicht, dass sogar ein Schweizer (Weih)Bischof sich darin verwickeln liess.

(Einschub: Dieser üblen Vorgänge verifizieren die von mir schon seit Jahren vorgetragene These, dass sich auch in der katholischen Variante des Christentums nun eindeutig sektenhafte Strömungen entwickeln, deren Denken ich darum in Anlehnung an die Bedeutung des Wortes «evangelikal» eben umgekehrt «katholikal» nannte. Es ist offensichtlich, dass die pluralistische, multikulturelle und multireligiöse Welt der späten Neuzeit, die eine jahrtausendlange Dominanz von Religionen und Kirchen auf den verschiedenen Kontinenten abgelöst hat, leider nun auch bei katholischen Denkern und Würdenträgern zum Verlust der reinen und der praktischen Vernunft geführt hat, und dies nur wegen subjektiver Affekte wie Verunsicherung, Panik und – vor allem – Angst vor Bedeutungs- und damit Machtverlust.)

(Kurzer zweiter Einschub: Wenn ich die Interventionen des Monsignore Carlo Maria Viganò in neuster Zeit, aber auch vor Monaten, bedenke, scheint mir übrigens eine alte üble Verschwörungstheorie, die Freimaurer und Jesuiten in einen Topf warf, wieder aufgekocht zu werden. Papa Francesco und Bill Gates in einem Club der Weltverschwörer – was haben solche Leute für eine kranke Fantasie! Donald Trump und Jair Bolsonaro, die würden es vielleicht noch glauben.)

Nun denn also, nachdem der Bundesrat auch katholische Eucharistiefeiern auf Pfingsten hin wieder unter Auflagen und im Wissen um die Bemühungen der Bistümer erlaubt, mein bescheidener Einwand, der sich seit Anfang März in meinen grauen Zellen und meinen die Tasten bewegenden Fingern niedergelassen hat, aber nie formuliert wurde. Ich war nun unter anderem an die 26 Jahre Pfarrer der beiden St.Galler Vorortpfarreien Abtwil (Kirche mit 450 Sitzplätzen) und Engelburg (300). Ich verstehe, dass Gottesdienste mit einer grösseren Anzahl von Teilnehmenden untersagt wurden. Ich sehe gute Gründe dafür. Aber ich sah und sehe keine guten Gründe, warum auch die Werktagsgottesdienste mit im Durchschnitt 20 bis 30 Teilnehmenden untersagt wurden. In diesen grossen Kirchen hätten sich diese Meschen bestens mit Abständen von über 5 Metern verteilen können, es wäre nicht unnötig gesungen worden, es hätte nie eine gesundheitliche Gefahr bestanden. Mein alter Studienkollege, GV Markus aus Solothurn, hat mir erklärt, dass eben auch solche Gottesdienste für Vater Staat unter das Versammlungsverbot von Gruppen über 5 Personen gefallen wären. Dazu meine Anmerkungen: Ist eine Werktagseucharistiefeier eine blosse «Versammlung»? Und: Warum hat man den treusten Seelen der Gemeinden das ohne Sinn und Zweck weggenommen?

Heinz Angehrn

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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