Geschenktes Geld

Möchten Sie von Ihrer Gemeinde 100 Franken bekommen; oder vielleicht sogar 500? Einfach so? Nein, nicht ganz. Sie müssten den Gutschein in den Geschäften am Ort einlösen, als kleine Kompensation für den Schaden, den der böse Virus angerichtet hat.

So bezaubernd die Idee auf den ersten Blick ist, gibt’s doch gewaltige Widerstände. Manche sprechen von einem sinnlosen «Giesskannen-Prinzip». Man kann es auch so sehen. Anyway, oder auf gut Berndeutsch: Mer wey ned gröble.

Doch eines ist sicher: Die Sichtweise, die ein reichlich mit irdischen Gütern eingedeckter Mensch in seinem Leserbrief in einer Innerschweizer Zeitung äussert, ist nicht gerade einfühlsam. Er bekäme von seiner Gemeinde, eine der reichsten der Region, 500 Franken. Und nimmt das «sozialistische» Giesskannen-Prinz auf die Hörner, indem er sarkastisch schreibt: «Wir können uns freuen auf ein feines Gratismenü im Restaurant, mit Lammfilet aus Neuseeland, edlem Wein aus Südafrika, neuen Kartoffeln aus Israel, Blumenkohl aus Spanien …»

Ich behaupte: So kann wohl nur jemand aus eigener Erfahrung schreiben, aus der Sicht eines Eidgenossen, der sich so was leisten kann, ohne Gutschein von der Gemeinde. Oder können Sie sich vorstellen, eine alleinerziehende Mutter und ein Rentner mit schwachem Einkommen kämen auf solche Phantastereien.

Die Mutter wäre dankbar, ihre Zahnarztrechnung zu bezahlen ohne irgendwo schmerzhafte Abstriche zu machen. Der Betagte könnte sich endlich ein paar wetterfeste Winterschuhe leisten und eine ebensolche Windjacke leisten.

Darum: Bitte etwas mehr soziale Fantasie anstelle der Häme über einen angeblich sozialistischen Vorschlag.

Walter Ludin

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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