Heiliger Geist und Gefühlsachterbahn

Diese Woche mal wieder meinen aktuellen Impuls für «meine» Pfarrei im Blog, wer mag kann ihn auch hören:

An diesem Sonntag ist als Lesung ein Ausschnitt aus einer Ansprache von Petrus vorgesehen.
Den zu kennen ist für das Folgende nützlich: Apostelgeschichte, Kapitel 2, die Verse 36-41.
Wenn Sie das lesen merken Sie, zimperlich ist Petrus nicht mit seinen ZuhörerInnen, sonst
würde er ihnen nicht als Erstes unterstellen, dass sie Jesus gekreuzigt hätten. Das ist
erstaunlich, und zwar aus folgendem Grund: Der Verfasser der Apostelgeschichte, Lukas, hat
auch das Lukas-Evangelium geschrieben. Darin werden als Verantwortliche für die
Kreuzigung Jesu die «Hohepriester und Schriftgelehrten» genannt, Mitglieder der
Führungsschicht. Petrus predigt aber nicht vor denen, sondern vor einer Menschenmenge
aus grösstenteils sicher nicht privilegierten Immigranten. Gewöhnliche Leute, unter denen
Sie und ich gut stehen könnten. Wie kommt er dazu, denen, uns, zu sagen, sie hätten Jesus
gekreuzigt?

Erstmal weiter im Text: Da ist die Zuhörerschaft erstaunlicherweise inzwischen nicht erbost
gegangen, sondern überaus interessiert – und Petrus erklärt, dass ihnen, dass uns, eine
Verheissung gilt, nämlich die des Heiligen Geistes. Dieser Geist tritt im weiteren Verlauf der
Apostelgeschichte ausgesprochen aktiv auf, gerade Petrus spricht er immer wieder direkt an,
hilft ihm und gibt ihm Ratschläge.

Das ist es, was Petrus seinen ZuhörerInnen verspricht. Und zwar offensichtlich völlig
unabhängig davon, wie sie sich verhalten. Hier liegt für mich der Sinn seiner Behauptung,
alle seine Zuhörer hätten Jesus gekreuzigt. Petrus selbst hat erlebt, wie er aus Angst seine
Zugehörigkeit zu Jesus verleugnet hat. Es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass er sich selbst
für einen besseren Menschen hält als die, zu denen er spricht. Vermutlich sieht er sich selbst
als einen, der Jesus durch sein Verhalten mit gekreuzigt hat.

Ich erlebe in dieser Zeit, dass ich mich immer wieder von drängenden Gefühlen leiten lasse,
von Ängsten oder von Wut. Keine gute Idee, hilft weder mir selbst noch meinen
Mitmenschen. Petrus würde vielleicht sagen, dass auch ich Jesus kreuzige. Und dann würde
er mir die gleiche Zusage machen wie allen seinen ZuhörerInnen: So, wie er selbst den Geist
Gottes als verlässlichen Berater erlebt, so gilt das für alle. Unabhängig davon, dass wir
manchmal unsere Gefühle mit uns Achterbahn fahren lassen. Gott ist da, bereit, sich hören
zu lassen. Und er bleibt da.

Karin Reinmüller

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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