Das Konzil als grösstmögliche Zäsur der Kirchengeschichte

Karl Rahner blickte 1979 auf das Konzil zurück und versuchte eine theologische Grundinterpretation: Das Ergebnis lautete: «Das II. Vatikanische Konzil ist in einem ersten Ansatz, der sich erst tastend selber zu finden sucht, der erste amtliche Selbstvollzug der Kirche als Weltkirche.»
Rahner begründete seine Deutung ausführlich:
Erstmals sei ein weltweiter Episkopat vertreten gewesen – nicht nur sog. «Missionsbischöfe», die in Rom vor allem um milde Gaben betteln müssten. Dann sei mit dem Liturgiedekret und der Einführung der Muttersprache der Abschied von der lateinischen Prägung der Kirche eingeleitet worden. Gaudium et spes habe die «Dritte Welt» stark im Blick gehabt und die Präsenz der Kirche dort beschrieben. Die Dekrete über die Offenbarung und die Kirche hätten sich von neuscholastischer Enge befreit und eine Sprache gefunden, die auch in nicht-europäischen Kulturen verstanden werden könne. Mit der Lehre über das Bischofsamt habe man begonnen, die Ortskirchen theologisch aufzuwerten. Die Lehre über die nicht-christlichen Religionen habe die Möglichkeit ergeben, auch andere Religionen positiv zu würdigen und ihnen die Möglichkeit eines heilshaften Offenbarungsglaubens zuzugestehen.
Rahner fasste zusammen «Mindestens anfanghaft hat die Kirche in diesem Konzil lehrmässig als Weltkirche zu handeln begonnen» und ordnete das Konzil schliesslich kirchengeschichtlich ein. Hier zeigt sich die grösstmögliche Bedeutung des Konzils. Rahner beschrieb drei Perioden der Kirchengeschichte: «1. die kurze Periode des Juden-Christentums, 2. die Periode der Kirche in einem bestimmten Kulturkreis, nämlich des Hellenismus und der europäischen Kultur und Zivilisation, 3. die Periode, in der der Lebensraum der Kirche von vornherein die ganze Welt ist.» Während Rahner den Apostel Paulus als Zentralfigur des Übergangs von einer juden-christlichen Kirche zu einer heiden-christlichen Kirche sah, markierte für ihn das letzte Konzil den Übergang der Kirche zur Weltkirche. Mehr geht nicht.
(ab; Karl Rahner: Theologische Grundinterpretation des II. Vatikanischen Konzils, in: ders.: Schriften zur Theologie XIV, Zürich, Einsiedeln, Köln 1980, 287-302)

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