Alp-Trilogie I: Das Ende der Volkskirche

Wie gesagt: Jammern und Klagen hilft gar nichts. Wir stehen am Ende einer gut 1200jährigen Epoche mitteleuropäischer Geschichte: Das Ende der Staats-, Volks- und damit Massenkirche steht in weniger als zwanzig Jahren bevor. Der demographische Wandel zum einen, aber noch mehr der geistige Wandel, der die Menschheit von 1789 bis hierher geführt hat, ist nicht aufzuhalten.
(Böser Gedanke: Hätte Covid 19, wie einst in Stephen Kings Epochalwerk «The stand», 99,4% der Weltbevölkerung hinweggerafft, dann stünden die Chancen von Religion vielleicht besser…)

Ich denke zuerst einmal nostalgisch zurück: Die katholische St.Galler Volkskirche, die ich als Bub noch kennen lernte, wie wir am Christkönigssonntag in unseren Jungwachtuniformen mit den kurzen Hosen zuerst schlotternd im Freien Broschüren verkauften, um dann in der Kathedrale die herrlichen Worte zu singen «Christus, mein König, Dir allein schenk ich die Treue, stark und rein»; der «Gnädige Herr», vor dem man niederzuknien hatte, auch wenn er so harmlos und rotnasig wie Bischof Josephus war; die allmächtige Gewalt, wie sie in CVP-Politikern wie Kurt Furgler und Jakob Schönenberger auftrat, in denen sich Armee und Staat bis vor Vollendung gefunden hatten; die schwarzen Kleriker, die zwar prügelten und einem fertig machten, aber doch allmächtig waren … Das war nicht besonders vorbildhaft, das war nicht einmal jesuanisch, aber es war grosse Kirche, Staatskirche, Volkskirche.

Und das ist vorbei. For ever. Irgendwann in gut 20 Jahren wird die definitive Trennung von Kirche und Staat diesem Gebilde auch noch den materiellen Unterbau entreissen. Und es wird eine neue Ära beginnen, eine, die unser alter Papst nun schon seit Amtsantritt ankündigt. Aber niemand hört hin.

Wie habe ich mich gewundert in den letzten zehn Jahren meiner Tätigkeit als Priester im Bistum. Obwohl alle die Zahlen kannten, obwohl alle wussten und sahen, dass auch in der Osternacht höchstens noch die halbe Kirche gefüllt war, dass immer weniger Paare kirchlich heiraten, dass es bis auf Rorate und Erstkommunion nicht mehr als etwa zwei komplette Familien in der Kirche hatte, dass die Vereine überalterten und scheintot waren: Jede/r Seelsorger/in wollte exakt sein kleines Gemüsegärtchen Pfarrei weiter pflegen, die immer weniger Menschen noch intensiver betreuen, statt aufzubrechen, das noch vorhandene Geld für neue Projekte der Evangelisierung einzusetzen.

Übergang gestalten, nein, nein , lieber Untergang verwalten. Und das alles – hört genau hin – betrieben die Linken und Rechten, die Progressiven und Konservativen in der Kirche. Da ging es nicht um Ideologie, da ging es um Angst, Wehmut und ein klein bisschen auch um geistige Faulheit.

Heinz Angehrn

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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