Keine Osterbesinnung

Wenn Sie zu den Menschen gehören, die diese Tage dazu nutzen können, endlich mal eine Fremdsprache zu lernen oder neue Fertigkeiten in Ihren Hobbys zu erwerben, dann wird Ihnen dieser Artikel wohl etwas befremdlich vorkommen. Bei mir ist das nämlich anders: In meinem Hirn kennen eine Menge Neuronen derzeit offenbar nur eins – feuern was das Zeug hält. Übrigens nicht aus Angst vor dem Virus, nicht untypisch für Trauma-Betroffene vermitteln mir stattdessen die Anti-Viren-Massnahmen das Gefühl, dass im nächsten Moment der Säbelzahntiger um die Ecke biegt. Das verunmöglicht Kreativität und Entspannung ziemlich effizient.

Was wiederum zur Folge hat, dass ich viele der zahlreichen Besinnungs-Angebote im Stil von «Ostern in dieser besonderen Zeit», von denen das Internet überquillt, im besten Fall für mich belanglos, im schlimmsten beängstigend finde (letzteres dürfte weniger mit den Angeboten und mehr mit meinen persönlichen Schaltkreisen zu tun haben, siehe oben).

Was also tun? Wie bei mir zu erwarten hilft ein Blick ins Neue Testament. Es ist ja nicht so, dass Jesus vor seinem Tod nicht mit seinen Jüngerinnen und Jüngern über seine bevorstehende Auferstehung geredet hätte: Zumindest wenn man der Erzähllogik der Evangelien folgt, waren die an sich vorher ziemlich gut im Bild. Und trotzdem reagiert keiner und keine von ihnen auf die Kreuzigung Jesu mit der Erwartung, dass daraus etwas Gutes wird. Stattdessen gehen die einen weinend zum Grab, die anderen verrammeln sich voller Angst, die nächsten Opfer zu werden, hinter verschlossenen Türen, die dritten hauen ab aufs Land und die vierten versuchen, alles zu vergessen und wieder zu Hause als Fischer zu arbeiten. Das ist Katastrophenbewältigung, nicht Inspiration.

Und sie alle treffen den Auferstandenen. Keine von ihnen rechnet damit. Mehrere zweifeln noch, als sie ihn vor sich sehen, so überraschend ist, was sie erleben. Sie sind alles andere als darauf vorbereitet. Denn was sie unternommen haben waren Versuche, mit einer Situation umzugehen, die sie völlig aus der Bahn geworfen hat – und die sie wohl (zum Beispiel wegen der feuernden Neuronen in ihrem Hirn) in dem Moment gar nicht spirituell verarbeiten konnten.

Meine eigenen Anstrengungen in dieser gefühlten Katastrophe (Säbelzahntiger, Sie erinnern sich…) können keine intensiven Meditationen sein, stattdessen unternehme ich, was ich kann, um mit der Situation zurecht zu kommen. Und die Sache mit dem Auferstandenen – wie gesehen braucht die keine Vorbereitung. Das ist Gottes Ding, der wird das schon machen.

Karin Reinmüller

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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