Aktionismus oder die Chance ergreifen?

Ausnahmsweise lasse ich statt meiner Wenigkeit eine Seelsorgerin zur Sprache kommen, die ich seit langem schätze und die nicht in solchen Medien unterwegs ist. Sie schreibt an ihre Kollegen/innen folgendes:

«Liebe Kolleginnen  und Kollegen

Auf die Gefahr hin, dass ihr mich dann wohl auf dem Scheiterhaufen als Ketzerin verbrennen möchtet (ist derzeit einfach nicht möglich, da ein öffentliches Ritual), erlaube ich mir einen Zwischenruf.

Wenn ich meine letzten Tage anschaue, wie viele Stunden in Planungen, Besprechungen, Erwägungen, etc. investiert wurden, ob und was und wie und warum man nun von der Kirche aus Angebote machen muss und darf und wann das was nachgeholt werden muss, das jetzt ausfällt, komme ich etwas ins Nachdenken. Kann es sein, dass wir als Seelsorgende es nicht aushalten, wenn einmal nichts geschehen kann? Wenn wir vielleicht auch einmal gar nicht so gebraucht werden, weil wir mündige Christinnen und Christen in unseren Gemeinden haben, die ihr Glaubensleben in dieser ausserordentlichen Situation selbständig meistern können? Weil unzählige Solidaritätsaktionen einfach so entstehen ohne die Kirchen? Kann es sein, dass unser Reden von Stille und Entschleunigung, das wir gerne unserer Gesellschaft entgegenhalten, gar nicht so ernst gemeint ist?

Natürlich gibt es auch bei mir das eine oder andere zu planen, zu regeln, aufzuarbeiten, mit KollegInnen zu besprechen.

Ich möchte die Herausforderung dieser Zeit aber auch nutzen, um einfach da zu sein – als betender Mensch, als Seelsorgerin, die den Telefonhörer in die Hand nimmt und endlich wieder einmal Zeit hat für das persönliche Gespräch mit Menschen. Ich möchte diese – zugegeben schwierige – Zeit nutzen für eine Neubesinnung auf die Relativität allen Seins.»

Liebe Ex-Kollegen/innen aus alten Zeiten: Ihr habt mein Verständnis und mein Mitgefühl!

Heinz Angehrn

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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