Treffen von Paul VI. mit den lateinamerikanischen Bischöfen

Zwei Wochen vor Konzilsende, am 23. November 1965, kam es in Rom zu einem offiziellen Treffen zwischen Paul VI. und den lateinamerikanischen Bischöfen. Anlass war das 10jährige Bestehen des CELAM, des 1955 in Rio de Janeiro gegründeten lateinamerikanischen Bischofsrates.
Statt jedoch auf die Leistungen von CELAM im vergangenen Jahrzehnt zu blicken, wollte der Papst die Bischöfe mit ausdrücklichem Bezug auf das eben zu Ende gehende Konzil dazu ermutigen, ein «klares Konzept» zu haben, um die «komplexe Situation» Lateinamerikas – mit ihren religiösen, politischen, ökonomischen und sozialen Komponenten angemessen und wirksam angehen zu können. («Siamo anzi convinti che è neces-sario averne un concetto chiaro, perché ogni soluzione che non tenga nel dovuto concetto questa complessa realtà corre pericolo di restare inadeguata se non pure inefficace.»)
Nachdem Paul VI. einige drängende Herausforderungen Lateinamerikas genannt hat, geht er auf die wichtigsten Tätigkeitsbereiche ein, die in der christlichen Gemeinschaft zu fördern sind («i settori principali di azione da promuovere nella communità cristiana»), angefangen vom Klerus, den Laien und Orden, der Jugend und den Studierenden. Der Papst verlässt jedoch eine «binnenkirchliche Perspektive», wenn er in diesem Zusammenhang von einer «spezifischen sozialen Aktion» spricht. «Das Bewusstsein Menschen unserer Zeit zu sein und sein zu wollen verlangt auch die dringende Notwendigkeit und das rechte Mass unserer demütigen aber ehrlichen Anteilnahme an den menschlichen Problemen in der gegenwärtigen Stunde.» Das schliesst nicht klar definierte kirchliche Positionen angesichts der laufenden sozialen Prozesse in Lateinamerika aus. Paul VI. macht deutlich, worauf es nach seiner Ansicht ankommt: «Wir haben gesagt, es sei pastorale Pflicht, die soziale Wirklichkeit zu kennen. Es genügt jedoch nicht, die Soziallehre der Kirche zu kennen und sie abstrakt zu unterrichten. Sie muss in den real begegnenden Situationen nach und nach angewandt und in konkrete Handlungsanweisungen überführt werden …»
Dass diese Ansprache nicht ohne Langzeitwirkung blieb, zeigte sich in den beginnenden Vorbereitungen zur zweiten Generalkonferenz von CELAM, die 1968 in Medellín stattfand und «eine ekklesiologische Revolution» (Jon Sobrino) bewirkte.
(Giancarlo Collet)

Konzilsblogteam

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