Atomare Fundsachen

Ich mache immer wieder neue Anläufe, meine Dossiers, die ich in den Schränken der Hängeregistratur abgelegt habe, «auszumisten». Dabei stosse ich immer wieder auf Dinge, die zwar nicht von heute sind, aber sehr bedenkenswerte Überlegungen bedeuten. Nun mal zum Thema «Atomkraft».

«Entstrahlen mit Klopfer, Bürste …»
Zuerst ein Hinweis auf ein A4-Papier, das heftiges Gelächter hervorrufen könnten, wenn es sich nicht um eine todernste Sache handelte. Das Merkblatt «AC Schutzdienst» wurde 1983 (!) von der Schweizer Armee herausgegeben. Es handelt sich zwar um die Entstrahlung im Falle eines Atombombeneinsatzes, meint aber das Verhalten im «verstrahlten Gebiet» und wäre somit auch bei einem atomaren GAU von Bedeutung.

Im ersten Abschnitt «Grundsätzliches» heisst es: «Entstrahlen ist ein ›Hausfrauenproblem, das mit Klopfer, Bürste und Staubsauger oder mit Seife und Wasser gelöst werden kann.» Kommentar absolut überflüssig …

Die Sprache der Atomlobby
In einem Infoblatt einer atomkritischen Gruppe aus dem Jahr 1979 finde ich einen Artikel über die beschönigende Sprache der Atomlobby. Allein schon der Ausdruck «friedliche Nutzung der Kernenergie» enthalte eine ganze Reihe von Euphemismen:

-Friede
-Nutzen
-Kern (wie kerngesund!)
-Energie.

So geht es weiter:

-Das Uran wird «angereichert»: wie schön!
-«Brennstäbe: tönt heimelig nach Brennholz fürs Kamin
-«Entsorgungspark»: offenbar eine Grünanlage für ausgedientes Plutonium
-«Entsorgungskonzept»: keine Sorge! Alles wird gut. – Damit sind wir beim folgenden Zwischenruf eines Pfarrers.

Gefährdung kommender Generationen
Ein Aspekt, der zum Glück immer wieder in Erinnerung gerufen wird: die schiere «Unvergänglichkeit» der atomaren Strahlungen im Gefolge von Atomkraftwerken. Schon 1976 hat der damalige Basler Münsterpfarrer Werner Reise bei einer Kundgebung gegen das A-Werk Gösgen daran erinnert:

«Unsere Generation hat den Fluch der Unvergänglichkeit geschaffen. Wir lösen Strahlen aus, die gerade durch ihre jahrtausendelange Wirkung Tod und Verderben über andere bringen. Wir sind als Todbringer auf die gefährlichste Weise unvergänglich geworden. Wir nehmen gedankenlos die Gefährdung weit von uns entfernter Generationen in Kauf.»

Das Angstgespenst Versorgungssicherheit
Zum Schluss ein Blick in eine  neuere Publikation: in die Zeitschrift «Energie & Umwelt» (2/2019). Zum Stichwort «Versorgungssicherheit» heisst es dort: «Sie ist heute sehr gut gewährleistet und wäre es auch noch, wenn alle Schweizer Kernkraftwerke (sic!) wie Mühleberg zeitnah abgeschaltet würden. Im Vergleich zu allen Nachbarländern ist das Schweizer Stromnetz sehr gut aufgestellt für die heutigen und zukünftigen Forderungen.»

Der Wegfall von 40% des Stroms, den die Atomkraftwerke liefern, könne kompensiert werden durch «den einen stärkeren Zubau erneuerbarer Stromproduktion, durch mehr Energie-Effizienz und durch mehr erneuerbare Stromimporte aus dem Ausland.»

Ich lasse es bei diesen wenigen Bemerkungen bewenden – und möchte jetzt nicht gute Bekannte, die in Atomkraftwerken arbeiten, weiterhin verärgern. Trotzdem: Fortsetzung folgt.

Walter Ludin

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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