Evolution

Für einmal ein Gedicht von Erich Kästner:

«Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt,
Behaart und mit böser Visage.
Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt
Und die Welt asphaltiert und aufgestockt,
Bis zur dreißigsten Etage.

Da sassen sie nun, den Flöhen entflohn,
In zentralgeheizten Räumen.
Da sitzen sie nun am Telefon.
und es herrscht noch genau derselbe Ton
Wie seinerzeit auf den Bäumen.

Sie hören weit. Sie sehn fern.
Sie sind mit dem Weltall in Fühlung.
Se putzen die Zähne. Sie atmen modern.
Die Erde ist ein gebildeter Stern
Mit sehr viel Wasserspülung.

Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr.
Sie jagen und züchten Mikroben.
Sie versehn die Natur mit allem Komfort.
Sie fliegen steil in den Himmel empor
Und bleiben zwei Wochen oben.

Was ihre Verdauung überlässt
Das verarbeiten sie zu Watte.
Sie spalten Atome. Sie heilen Inzest.
Und sie stellen durch Stiluntersuchungen fest,
Dass Cäsar Plattfüsse hatte.

So haben sie mit dem Kopf und dem Mund
Den Fortschritt der Menschheit geschaffen.
Doch davon mal abgesehen und
Bei Licht betrachtet sind sie im Grund
Noch immer die alten Affen.»

Kennst du das Land. Gesammelte Schriften. Bd. I. Gedichte. Köln 1959. S.223
zitiert im Sammelband «Wege der deutschen Literatur». Frankfurt 1975.



Heinz Angehrn

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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