Sodom

In verschiedensten Artikeln habe ich zu dieser Thematik hier schon seit Jahren immer wieder geschrieben. Darum belasse ich es bei einem Beitrag.

Hier auf kath.ch hat Franz-Xaver Hiestand SJ am 19.10. Stellung zum Buch «Sodom – Macht, Homosexualität und Doppelmoral im Vatikan» (Frankfurt, 2019), verfasst von Frédéric Martel, französischer Journalist und Soziologe mit Jahrgang 1968, genommen. Martel hat sich vorgängig des Erscheinens der deutschen Fassung in der «NZZ am Sonntag» am 21.09. zum Buch geäussert. Aus diesem Artikel hier ohne Wertung und Kommentar einige Auszüge:

«Mein Buch beruht aber weder auf Gerüchten noch auf Unterstellungen oder Anspielungen, und auch nicht auf Klatsch. Es enthält reine Fakten aus Hunderten von Interviews mit Kardinälen, Bischöfen, Nuntien und Priestern und über 300 Seiten Quellen, die ich angegeben habe. Was für Quellen? Tausende von Dokumenten, die vom amerikanischen Staatsdepartement freigegeben wurden, diplomatische Telegramme, Polizeirapporte oder Prozessakten, Zeugnisse von Ärzten und Prostituierten, ordentliche Presseartikel.

Deshalb bin ich glücklich, dazu beigetragen zu haben, die Diskussion über den Katholizismus zu verändern. Nun geht es nicht mehr darum zu verstehen, warum so viele Kardinäle und Priester homophob sind; nun weiss man, dass Homosexualität unter ihnen massiv verbreitet ist.

Es geht nicht mehr darum, die schwule Präsenz in der katholischen Kirche zu denunzieren; es geht darum zu verstehen, warum die Kirche diese anzieht, rekrutiert und die Tatsache der «klerikalen Homosexualität» zulässt. Dabei darf man Homosexualität und sexuellen Missbrauch keinesfalls verwechseln. Im Gegenteil sollte man verstehen, warum die Illusion der Keuschheit – zutiefst widernatürlich und gescheitert – und die Kultur des Geheimhaltens der Sexualität der Priester die wahre Matrix dieses Systems des Verbergens sind.

Wenn man sich aus diesem Buch nur eine einzige Regel merken wollte, dann diese: Je homophober sich ein Priester oder Kardinal in der Öffentlichkeit gibt, desto grösser ist die Chance, dass er im Privaten homosexuell ist. Man sollte eine LGBT.P-Gemeinde gründen – P für Priester.

Und vor allem dies: Was auch immer man in der Kirche glaubt: Homosexualität und die Partnerschaft oder Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts sind in der Mehrheit der demokratischen Länder rechtlich legal. Umgekehrt ist Homophobie ein Delikt geworden. Innerhalb von fünfzig Jahren sind wir von der Kriminalisierung der Homosexualität bei der Bestrafung für Homophobe angekommen – es ist höchste Zeit, dass die katholische Kirche das anerkennt und sich gänzlich aktualisiert. In der Schweiz ebenso wie anderswo.

Die letzte Frage, die mir oft gestellt wurde: Warum wurde dieses Buch nicht früher geschrieben? Wenn ein Mitglied des Vatikans dies getan hätte, hätte es seinen Job verloren. Ein Italiener hätte Probleme mit seinem Verleger oder seinem Chefredaktor bekommen, solchermassen ist das Thema in Italien tabuisiert. Ein Heterosexueller hätte weder über die nötigen Codes noch Netzwerke für eine solche Recherche verfügt.

Deshalb ist dieses Buch, das vor zehn Jahren noch unmöglich gewesen wäre, heute von einem Franzosen geschrieben worden, von einem Nicht-Konfessionellen, der die Codes versteht. Ein wohlwollender amerikanischer Kritiker fasste es so zusammen: «Es ist ein Buch, das nur von einer Person ausserhalb der katholischen Kirche geschrieben werden konnte, weil es gewisse Euphemismen und Unausgesprochenheiten verweigert, die für Kircheninsider selbstverständlich sind.»

Deshalb glaube ich ehrlich, dass ich der katholischen Kirche mit «Sodom» einen Dienst erwiesen habe, der mittel- oder langfristig anerkannt werden wird. Es ist ein Buch, dessen Wahrheitsanspruch letztlich dem Wahrheitsanspruch von Papst Franziskus gleichkommt.«



Heinz Angehrn

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

https://www.blogs-kath.ch/sodom/