Vec Makropulos

Erst in fortgeschrittenem Alter wurde Leos Janácek (1854-1928) auch zum Opernkomponisten. Nach einem bereits erfüllten musikalischen Leben schuf er in den letzen 20 Jahren seines Lebens ein vielfältiges Repertoire an einerseits naturalistischen (»Jenufa», «Katja Kabanova», «Aus einem Totenhaus») wie andrerseits bizarren (»Das schlaue Füchslein», «Die Ausflüge des Herrn Broucek») Stoffen, die bis auf «Jenufa» nur gelegentlich auf unseren westlichen Bühnen zu finden sind. Sein dominanter Parlandostil wie auch Anklänge der klassischen Moderne machen diese Aufführungen nie zum reinen Hörvergnügen, bei dem das Gehirn ausgeschaltet werden darf. Gerade bei «Vec Makropulos» (1926 in Brünn uraufgeführt, auf deutschsprachigen Bühnen lange in einer deutschen Übersetzung von Max Brod gespielt) wird dies deutlich. Ein anspruchsvolles Werk, musikalisch tonal, aber fordernd.

Janacek gehört zu den wenigen Opernkomponisten, die das Libretto ihrer Werke selber schrieben (es seien noch Albert Lortzing und vor allem Richard der Grosse genannt). In mehreren Fällen schuf er allerdings den Text auf Basis eines schon vorhandenen Theaterstücks, so auch bei der hier zu kommentierenden «Sache» (vec auf tschechisch): Vorlage ist eine «Komödie» des tschechischen Autors Karel Capek (1890-1938), die 1922 uraufgeführt wurde. Es geht um einen absurden Erbrechtsstreit zwischen zwei Familien, in den auch Advokaten verwickelt werden und in den eine grosse Opern-Diva mit Namen Emilia Marty (E.M.) hineinplatzt. Als eiskalte femme fatale (der «Blaue Engel» wurde 1930 gedreht) verunsichert und verführt sie alle verfügbaren Männer und verfolgt dabei nur ein Ziel, nämlich an das Rezept des Elixiers zu gelangen, mittels dem sie vor über 300 Jahren als Elina Makropulos quasi unsterblich wurde. Wie ihr Spiel auffliegt, verzichtet sie freiwillig darauf, länger zu leben. Das Rezept geht in Flammen auf, Pech für die Menschheit.

Ob das eine Komödie ist? Bei Janacek, das verrät die Tonalität ganz klar, ist es eher eine Tragödie, bei der es zu einem Suizid und mehreren gebrochenen Herzen kommt. Karel Capek gilt als tschechisches Pedant zur ersten Generation der Science Fiction-Literatur (Huxley, Orwell) und beschäftigte sich in anderen Werken etwa mit künstlicher Intelligenz, Atomkraft und Massenvernichtungswaffen. Warum der bereits 70jährige Komponist genau an dieser Kom/Tragödie Gefallen fand? Diese Fragen nebst der einen ganz entscheidenden, wie die Sängerin der Hauptrolle E.M., ein hochdramatischer Sopran, ihre Aufgabe erfüllt, verfolgen den Schreibenden durch die nächste Woche.

Heinz Angehrn

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

https://www.blogs-kath.ch/vec-makropulos/