Wie gehen wir mit Fremden um?

Wenn uns der Papst zum heutigen Tag der Migranten einlädt, geht es nicht nur um Flüchtlinge, Asylsuchende und Gastarbeiter. Franziskus  betont in seiner Botschaft, dass es auch um uns geht. Ich werde gleich aus seiner Botschaft zitieren. Dann erlaube ich mir, das ernste Thema mit Humor anzugehen, der nicht nur unterhaltsam sein soll, sondern uns auch zum Denken anregt.

Zuerst also aus der Botschaft von Papst Franziskus. Er schreibt: «Es geht auch um unsere Ängste. Die Bosheiten und Widerwärtigkeiten unserer Zeit lassen unsere Angst vor den ›anderen’ wachsen, den Unbekannten, den Ausgegrenzten, den Fremden […] Und das zeigt sich in der heutigen Zeit besonders deutlich angesichts der Ankunft von Migranten und Flüchtlingen, die auf der Suche nach Schutz, Sicherheit und einer besseren Zukunft an unsere Tür klopfen.»

Soweit der Papst. Die von ihm angesprochene Angst vor den Fremden kann unterschiedliche Formen annehmen. Dazu eine witzige Zeichnung. Sie zeigt eine alte Frau, die klagt: «So viele Ausländer!» Ihre Kollegen fügt hinzu: «Im Ausland soll es noch viel schlimmer sein.»

Dazu eine andere Episode, die wohl nicht als Witz erfunden wurde, sondern aus dem Leben gegriffen ist. Eine Gruppe US-Amerikaner steht in irgendeinem Land auf einem Flughafen vor der Einreisekontrolle. Es gibt zwei Eingänge, einen für Einheimische, den andern für Ausländer. Die Amis weigern sich, den Ausländereingang zu nehmen. Entsetzt sagen sie: «Wir sind doch keine Ausländer!» Für sie sind Ausländer wohl vor allem die zerlumpten Gestalten, die aus Lateinamerika kommen und ihrem Elend entfliehen wollen. Nein, zu solchen Typen wollen sie doch nicht gehören, die stolzen US-Amerikaner.

Noch eine dritte, selbst erlebte Episode. Mit einer Kleingruppe reiste ich nach Deutschland. Darunter war eine Deutsche, die schon lange in der Schweiz lebt. Als wir die Grenze nach Deutschland überschritten hatten, sagte sie zu uns in gespielter Verachtung: «Ihr Ausländer! Ihr Fremden.»

Dies  hat mich an einen Aphorismus erinnert, einen Spruch, der mir vor Jahren eingefallen ist:
«Überall, ausser auf einem kleinen Fleck Erde,
sind wir Fremde.».

In diesem Zusammenhang die Feststellung: Oft tun wir so, als ob wir Schweizer der Massstab des Menschseins wären; als ob es normal wäre, dass alle auf unserer Erde so sind wie wir – oder so sein sollen. Dazu möchte ich zu bedenken geben, dass wir Schweizer ziemlich genau ein Promille der Weltbevölkerung ausmachen.

Dazu kommt: Im Grunde sind wir alle wie man in Bayern sagt «Zugereiste». Die Menschheit wurde ja nicht in der Schweiz erfunden. Und die wenigstens unserer Vorfahren standen schon auf dem Rütli. Daran erinnerte schon vor 40 Gabriel Laub, ein tschechischer Asylant:

«Fremde sind Leute,

die später gekommen sind als wir:

in unser Haus, in unsern Betrieb,

in unsere Strasse.»

Von einer Predigt erwarten Sie sicher auch eine biblische Argumentation. Also werfen wir einen Blick in das Evangelium. Da rühmt Jesus den fremden, den römischen Hauptmann, der ihn bittet, seinen Sohn gesund zu machen. Einen solchen Glauben sagt Jesus, habe er in seinem Volk noch nie gefunden.

Oder es ist auch ein römischer Hauptmann, der nach der Kreuzigung Jesus bekennt: «Wahrlich, dieser war Gottes Sohn.» Ein eindrückliches Glaubensbekenntnis eines Fremden!

Und nicht zuletzt ist Jesu Rede vom Jüngsten Gericht, die wir alle wohl auswendig kennen: «Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen.» Oder aber: «Ich war fremd und ihr habt mich abgewiesen.»

Wirklich: ein verheissungsvolles oder aber ein erschreckendes Wort. Die Vorstellung, dass im fremden, hilfsbedürftigen Menschen Jesus selbst zu uns kommt.

Betagtenzentrum Wesemlin, Sa 16.30; Kloster Wesemlin, So 10.00 Uhr)

Zum Tag der Migranten, 29. September

Walter Ludin

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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