Theorien zum Priestertum

Im Vorfeld der sogenannten Amazonas-Synode herrscht eine gewisse Aufregung im Netz. Entstanden ist diese wohl durch Erwartungen, die vor allem diesseits des Ozeans (exakter in Westeuropa) im Blick auf allfällige (mehr utopisch erhoffte denn rational begründbare) Beschlüsse dieser Synode zur Frage der Ämter in der katholischen Kirche geschürt und – logischerweise – auf der konservativen Gegenseite auch schon voreilig kommentiert und widerlegt wurden. Ich staune ja über den Eifer, den beide Seiten da an den Tag legen und empfinde ihn als absurd. Warum, das möchte ich hier in einigen Gedankenschritten darlegen.

ad 1) Die Situation des katholisch-kirchlichen «Personals», sei es nun geweiht oder nicht, weltweit ist nicht im Geringsten diejenige der materiell privilegierten deutschsprachigen Gebiete nördlich der Alpen. Wir brauchen in der Schweiz nur gerade über die Alpen zu gehen und sehen in den Tälern der Diözese Lugano, dass dort bis auf die Priester alle Menschen in den Pfarreien (Mesmer, Sekretärinnen) ehrenamtlich arbeiten, und dass zudem die Basislöhne der Priester (die durch Unterricht noch aufgestockt werden können) so niedrig sind, dass sie mit Unterstützungen aus dem Ausgleichsfonds der Diözese und aus einem gleichen freiwilligen aus der Deutschschweiz (sic) auf ein akzeptables Existenzminimum angehoben werden müssen. In Diözesen in Mittel- und Südamerika dürfte dies noch deutlich krasser ausfallen.

ad 2) Wer nun über eine Aufhebung des Pflichtzölibats und die Weihe von Familienvätern diskutiert, geht wohl naiverweise vom «deutschen Modell» mit edlen Löhnen (an die SFr 8’000 pro Monat nach genügend Dienstjahren) aus. Nur so lässt sich das Leben einer ganzen Familie aufgrund der Berufstätigkeit eines/r Seelsorgers/in gewährleisten. Brutale Wahrheit dürfte aber sein, dass eine «arme» und vom Staat völlig unabhängige Kirche dies niemals gewährleisten könnte. Wenn also von «viri probati» gesprochen wird, dann wohl vor einem nichteuropäischen Hintergrund, der dann voraussetzt, dass diese «viri» einen Erstberuf haben, mit dem sie ihre Familien unterhalten können. Der «Königsweg» des Pastoralassistenten, der zum Priester geweiht werden kann, ist sicher nicht das Ziel allfälliger Synoden-Überlegungen.

ad 3) Umgekehrt ist es dann aber theologisch unfassbar (und eine üble religiös-biblische Häresie in den konservativen Kreisen), das Priestertum für alle Zeiten und Generationen (so meinte es doch JP II?) an irgendwelche edle dogmatische und kirchenrechtliche Definitionen und Vorgaben der Zeit nach der Konstantinischen Wende, die samt und sonders – sprachlich, kulturell, ethisch, logisch – zeitgebunden sind, zu binden, und damit Fortschritt mit der sprachphilosophisch idiotischen Aussage, dass es eben keine substanzielle Änderung eines irgendwann definierten status quo geben könne, zu verhindern.

ad 4) Nun aber: Der Gründer unserer Religion – aufgrund des neutestamentlichen Befundes und nicht aufgrund späterer dogmatischer Deutungen und Vermutungen – würde heute ganz sicher Frauen und Männer, Ledige und Verheiratete, aufgrund ihrerer charakterlichen und spirituellen Eignung ohne jede Rücksicht auf Paragraphen und Gesetze irgendwelcher Vorväter zu «Königen, Priestern und Propheten» erwählen und zu einem Amt in seinem Jüngerkreis beauftragen. Wer sich störrisch in die Vergangenheit blickend auf die bewussten Paragraphen und Gesetze berufen würde, riskierte, von ihm mit einem seiner berüchtigten «Weh ihr …» bedient zu werden!

 

 

 

Heinz Angehrn

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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