Bruno Ganz – Wappenengel von Berlin

Berlin hat meist einen langen und harten Winter zu bewältigen. Nordöstlich in Europa gelegen, hat es hier nicht nur gefühlt weniger Licht, als in der Schweiz. Immer aber zur Berlinale erwacht die Stadt aus dem Winterschlaf. Und wenn die ersten warmen Sonnenstrahlen auf die Plätze und Cafés nieder scheinen, ist sie wie verwandelt und eine «südeuropäische» Leichtigkeit erfasst die Stadt. Gestern war das wieder so. Jedem Tag, als Bruno Ganz starb. Und es war der Tag der Preisverleihungen an der Berlinale. Das passte irgendwie zusammen. Und irgendwie auch wieder nicht: Viel zu früh, unnötig.

Der Tod dieses Schauspielers bewegt die Berliner. Er war Tagesgespräch an der Berlinale, in den Strassencafés und natürlich in den Berliner Tageszeitungen. Es ist lange her, dass sie einem Verstorbenen solch lange Elogen widmeten. Es zeigt: Hier ist jemand von Weltrang gegangen. Einer mit Bedeutung auch für Deutschland und vor allem für Berlin. Viele Jahre war er hier an der Schaubühne tätig. Und doch bleibt dieser eine Film haften, der ihn zur Ikone machte: Der «Himmel über Berlin» von Wim Wenders.  Bruno Ganz hat mein Bild von Berlin (und das von Millionen anderen) mit diesem Film früh entscheidend geprägt. Sein Engel Damiel, der Mensch werden wollte, sich verliebte und mit Otto Sander, dem anderen Engel, verloren an einem Stand an der Ruine des Anhalter Bahnhofs eine Currywurst ass, ist mir unvergessen. Da stand die Berliner Mauer noch und erstmals sah ich dieses monströse Ding in einem Film. Und dann diese Wolken , die im Zeitraffertempo über die geteilte Stadt jagten. Seit diesem Film ist Berlin und Bruno Ganz eins. In dem wunderbar verfassten Nachruf in der Berliner Morgenpost stand heute der schöne Satz: «Mit seiner ikonischen Rolle im «Himmel über Berlin» wurde er sogar eine Art Wappen-Engel der Stadt, einer Stadt, zu der es ihn, im Film jedenfalls, hinzog, hinabzog.»

Dieses Wesen, das zwischen den Welten zu Hause ist, die Menschen und die Stadt beschützt und sie vielleicht sogar zu guten Taten verleitet, habe ich auch in meine Stadtführung OST-KREUZ-TOUR eingebaut. Eine Station ist das «Lichtblick-Kino» an der Kastanienallee im Prenzlauer Berg, das den Film seit fast 30 Jahren immer wieder im Programm hat. An diesem Ort kommt zur Sprache, dass Berlin viel mehr ist als eine Partystadt. Viel mehr ist als das «Berghain» und Co.

Die Art und Weise, wie Nachrufe über verstorbene Grössen aus Kultur und Politik verfasst sind, sagen viel aus über eine Zeit. Die gehaltvollen Nachrufe auf Bruno Ganz und die Trauer über seinen Verlust machen für mich deutlich, dass sich viele Menschen nach Qualität, Tiefe und Authentizität sehnen. Genug haben von oberflächlichen Influencern und Täuschern. Sie sind leiser und sie sind in der Minderheit. Aber sie sind da.

Die Berliner Morgenpost fragte:  Was war das ihm Wichtigstes? Bruno Ganz: «Etwas Wahrhaftiges, Wesentliches vom Dasein auszudrücken und so sich auf besondere Weise zu vervielfältigen.»

Vera Rüttimann

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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