Das LAC

Ein erster kultureller Bericht. Ich hatte bei meinem Wegzug ja versprochen, dass die bisherigen «Abonnenten/innen» meiner Theaterkritiken wenigstens über dieses Medium ab und zu etwas erfahren, was im Bereich Musik, Theater und Oper so los ist.

Beginnen wir mit dem Gebäude. Im September 2015 eröffnete – von uns Deutschschweizern nicht sehr intensiv beachtet – das Kunst- und Kulturzentrum «Lugano arte e cultura» (LAC) an bester Lage am See zwischen Lugano und Paradiso gelegen seinen Betrieb. Es ist ein vom Architekten Ivano Gianola einerseits kühn, andrerseits aber mit deutlichem Verweis auf das Luzerner KKL entworfener multifunktionaler Bau mit Museum und Konzertsaal. Dieser Raum, der an die 1000 Sitzplätze aufweist, ist ein prächtiger Ort für Sinfonik, Kammermusik und Theater: Er ist in reinem Holz gehalten, ästhetisch darum eine Augenweide, verfügt aber auch über eine wunderbare Akustik. Ich, der ich mit den Tücken der ehrwürdigen St.Galler Tonhalle aufgewachsen bin, konnte nur neidisch staunen. Kein Wunder also, dass seit der Eröffnung viele berühmte Orchester samt ihren Dirigenten schon ihre Aufwartung gemacht haben. Allein in dieser Saison kamen/kommen etwa das Orchestre de Paris (Daniel Harding), das Bayrische Staatsorchester (Kirill Petrenko), die Wiener Philharmoniker (Michael Tilson Thomas), die Berliner Philharmoniker, Bernhard Haitink, Maurizio Pollini, Trevor Pinnock, András Schiff, Isabelle Faust, Rudolf Buchbinder etc. etc. Wie gesagt: Zum neidisch werden!

Besucht haben wir seit unserem Umzug zwei Konzerte:

Einmal das zweite Saisonkonzert des Hausorchesters OSI (Orchestra della Svizzera italiana) unter dem Dirigenten Krzysztof Urbanski mit dem jungen polnischen Pianisten Jan Lisiecki. Es war ein quasi Wunschkonzert- bzw. Hitparadenabend, an dem – wie auch geschehen – man ohne Leiden Kinder im Saale dulden konnte. Denn es wurden zwei der populärsten Stücke der Klassik gespielt: Griegs Klavierkonzert und Dvoraks neunte Sinfonie. Die beiden für ihr Metier jungen Herren (Lisiecki 23, Urbanski 36) haben mit der Elbphilharmonie auch schon eine CD eingespielt und zeigten sich jeder in seiner Art in Bestform. Wie bei Wunderkindern zu erwarten hatte Lisiecki null Mühe mit Griegs schnellen Sätzen, zeigte sich aber auch im Lyrischen – zumal in der Zugabe, ein Stück von Chopin zusammen mit dem Solocellisten des OSI – elegant souverän. Dvoraks lauter Knaller knallte beim äusserst athletisch auftretenden Urbanski in leuchtenden Farben. Nach bloss 90 Minuten Melodienpracht war der Abend schnell vorbei.

Ganz anders zwei Tage später beim Auftritt des ersten Solopianisten der Saison. Da konnte von elegant nicht die Rede sein, denn nach dem smarten Polen betrat ein äusserst «spezieller» junger Herr die Bühne: Daniil Olegowitsch Trifonov (Jahrgang 1991, Artist in residence in Lugano im ersten Jahr nach Eröffnung des LAC), ein Mischung aus Sokolov (in der Introvertiertheit) und Gould (im subjektiv-qualvollen Zugang) zeigte uns nun, dass der Konzertraum auch für reine Klaviermusik bestens geeignet ist. Er hat sich ein schweres Saison-Programm zusammengestellt, das er in drei Blöcken ohne Blick zum Publikum, ohne Pausen und ohne jedes manieristische Gehabe nur für sich absolvierte: Beethovens Sonate Nr.18 beginnend mit dem Andante favori, Schumanns selten gespielte Bunte Blätter und als grosses Finale die 8.Sonate seines Landsmanns Prokofiev. Das war eine Lehrstunde in Sachen, wozu das Instrument und ein begabter Pianist fähig sind, wir waren erschlagen. Und darum dankbar, dass er bei den beiden Zugaben in der Musikgeschichte weit zurückging, zu Chopin und Bach. Dieser Abend schien lang und musste angeeignet werden.

Mehr Kulturelles bei Gelegenheit. Da aber ein Welpe ins Haus steht, wird es notgedrungen eine Pause geben…

Heinz Angehrn

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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