Ach du grüne Neune

Ach du grüne Neune!

Das habe ich in den letzten Wochen mehrmals gedacht.

«Ach, du grüne Neune!» habe ich als Satz für Überraschungen der negativen Art gelernt. Solche Überraschungen kommen in den letzten Wochen immer wieder vor, sie häufen sich sogar. Hiobsbotschaften wie Tumore, Operationen, Krebs und Herzinfarkte, kamen in den letzten Wochen immer wieder zu mir, wenn sich jemand von einer Veranstaltung abgemeldet hat, wenn es mir jemand erzählt hat oder auch wenn jemand jetzt dringend Ersatz sucht.

Dass auch kirchliche Mitarbeiter krank sein können, ist ja nichts Neues. Wir sind auch nur Menschen und daher auch anfällig für das Eine oder Andere.
Dass aber kirchliche Mitarbeiter schon fast reihenweise und lange ausfallen, das ist doch ein Trend der über: «heute bleibe ich im Bett» hinausgeht.

Wenn ich solche Nachrichten höre, macht es mich auf zwei Arten betroffen. Einerseits habe ich Mitgefühl mit der Person, andererseits frage ich mich, ob es nicht auch mich treffen kann.
Das führt natürlich zum Nachdenken. Warum die Häufung, warum die Schwere der Krankheiten? Ist es nur eine Laune der Natur oder gibt es auch einen Grund dahinter?
Eine einfache Erklärung gibt es natürlich nicht, das ist uns allen klar. Aber wenn ich mein Arbeitsleben anschaue, dann stelle auch ich mir Fragen: Wann habe ich zuletzt eine Arbeit abgegeben, ohne dass eine andere Arbeit, ein anderes Projekt dazugekommen ist? Wie häufig kommt es vor, dass man nichts abgeben kann für eine neue Aufgabe? Gerade das Zweite kommt leider nur allzu häufig vor. Und dann hätte man ja auch noch die «fixe» Idee, auch mal was Neues von sich aus zu gestalten, etwas zu wagen! Doch etwas Entlastung kommt oft nur mit einem Stellenwechsel und auch dann nicht unbedingt und automatisch.
Warum ist das so?
Zwei Gründe finde ich für mich dafür: Wir hatten im Studium einen Vorlesungsblock: «Zwischen Ruhiger Kugel und Überforderung» Damals bin ich, sind wir alle, raus und haben uns gesagt: uns passiert weder das eine noch das andere. Ruhige Kugel sicher nicht, wir sind viel zu motiviert; Überforderung? Wir doch nicht, wir, die wir ganz neu dabei sind, wir können alles. So haben wir gedacht. Wo «wir» heute so stehen, weiss ich nicht von allen meinen Kommilitonen. Aber ich weiss, eine ruhige Kugel, die hat niemand. Warum? Weil wir uns immer noch überschätzen in dem was wir denken leisten zu können / müssen?
Das führt zum zweiten Grund.
Wir haben zu wenig Personal in der katholischen Kirche. Die Arbeit muss auf zu wenige Schultern verteilt werden. Einerseits gibt kaum Nachwuchs (auch wenn es in letzter Zeit gaaanz leicht besser wird) und anderseits fehlen die Mittel( oder man meint, dass sie fehlen). So muss heute einer, eine, leisten, was früher mehrere Personen getan haben.
Auf die Dauer kann das wieder zu Situationen wie am Anfang des Textes führen.

Dann stellt sich die Frage, was ich tun kann? Mehr Personen für den kirchlichen Dienst gewinnen? Aber was, wenn niemand sie anstellt, vor allem, wenn sie dann doch nicht Theologen werden? Habe ich dann jemanden in die falsche Richtung geleitet?

Das Zusammenspiel in den Pfarreien, den Seelsorgeräumen, Pastoralräumen und in den Bistümern muss besser werden. Einerseits muss man bereit sein, Stellen zu schaffen und sie attraktiv zu gestalten und zu halten. Ohne das gibt es keinen (jungen) Nachwuchs. Andererseits braucht es attraktive Ausbildungen in der Kirche mit Perspektiven innerhalb der Organisation, aber auch mit Anschlusslsungen ausserhalb.

Auf beiden Seiten wird daran gearbeitet. Das sehe ich in meiner Arbeit durchaus. Aber man arbeitet oft nicht zusammen. Dennoch hoffe ich dass wir dieses Tief überwinden, bevor wieder eine «grüne Neune» kommt und noch eine und noch eine.

Thomas Boutellier

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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