Der Friedensheilige und der Kriegsfürst

1501 wurde die untere Ranftkapelle gebaut, und zwar mit tatkräftiger Unterstützung des 1499 zum Walliser Bischof geweihten Matthäus Schiner. Schiner führte nicht nur kirchliche Reformen durch, sondern sorgte im Wallis als weltlicher Herr auch für Ruhe und Ordnung. Er war auch aussenpolitisch ein kluger Taktiker. 1507 verlängerte er den Waffenstillstand mit Savoyen, steuerte aber auf eine Koalition mit Mailand, dem Papst und dem Kaiser zu, was ihn automatisch zum Gegner Frankreichs machte. Papst Julius II. machte sich sein diplomatisches Geschick ab 1507 zunutze. 1511 war der Kardinalshut der Lohn für Schiners Einsatz dafür, dass die Eidgenossen den Papst in Oberitalien gegen Frankreich unterstützten. Schiner musste aber aus seinem Bistum fliehen, wurde Bischof von Novara und arbeitete weiter zugunsten des Papstes gegen Frankreich. Die Niederlage bei Marignano schwächte 1515 Schiner. 1519 setzte er sich mit Erfolg für die Wahl Karls V. zum römischen König ein. 1521 konnte Schiner mit einem eidgenössischen Heer Mailand zurückerobern und übernahm nach dem Tod von Leo X. die Verwaltung des Kirchenstaates. Seine Papstwahl scheiterte trotz der Unterstützung von Karl V. an den französischen Kardinälen, bevor er durch die Pest hinweggerafft wurde.

Das Leben Schiners, zweifellos ein Verehrer von Bruder Klaus, steht in einem seltsamen Kontrast zum Friedensheiligen. Die Eidgenossen waren seit 1476 eine respektierte Kriegsmacht, aber aussenpolitisch meistens uneinig. Diese Uneinigkeit zeigte sich auch in den militärischen Einsätzen in Oberitalien zu Beginn des 16. Jahrhunderts, wo Disziplinlosigkeit, Beutegier und oftmals Chaos herrschten, nicht aber der Wille zu geplanter Expansion oder geeintem Vorgehen. Die Niederlage von Marignano 1515 war eine Folge von all diesen Faktoren. Kardinal Schiner nahm als Mittelsmann zu den Päpsten eine wichtige Funktion ein, war Kriegsherr für den Papst und so wegen unterschiedlichen Interessen der einzelnen eidgenössischen Orte automatisch ein Kriegstreiber innerhalb der Eidgenossenschaft.

Das untenstehende süddeutsche Lied über die Schlacht von Marignano ist so indirekt auch eine Kritik an Kardinal Schiner:

Ein lied von der Schweizern niderlag bei Mailand uf des heiligen Creuz tag

[14. September 1515]
Wernd ir daheimen pliben,
bei kinden und bei wiben,
hetten die küe austriben,
ziger und anken gmacht,
wer nutzer, als ich acht!
Also hat man glert reisen
euch knaben in frembde land,
das clagen witwen und weisen,
es hat warlich kein bstand;
bruder Claus in seim leben,
hat euch den rat nit geben,
gefolgt hett ir im eben,
ir werent nit so weit
gezogen in fremde streit!

Urban Fink-Wagner, Inländische Mission

Literatur: Durrer (1917—1921), 573 f., 615; Thomas Maissen: An den Grenzen der Söldnerkühnheit. Voraussetzungen und Fernwirkungen der Schlacht von Marignano, in: NZZ, 12. September 2015, 52 f.; Bernard Truffer, Artikel Schiner, Matthäus, in HLS: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D12963.php

Bruder Klaus und Gefährten

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

https://www.blogs-kath.ch/der-friedensheilige-und-der-kriegsfuerst/