1000 Schrauben, statt Nieten

In den letzten Tagen war es für kirchliche Mitarbeiter wieder einmal nicht so einfach, die Zeitungen zu lesen und man wurde wiederum mit viel Unverständnis auf die negativen Schlagzeilen angesprochen.
Ich bin froh, kommen diese Fälle von sexuellen Übergriffen an die Öffentlichkeit. Auch wenn immer wieder der Gedanke «nicht schon wieder» in meinem Kopf auftaucht.
Erst wenn alle aufgearbeitet sind, können wir als Kirche einen wirklichen Neuanfang starten.
Aber was wir jetzt schon machen können und auch machen, ist zu verhindern versuchen, dass es keine Übergriffe, egal welcher Art mehr gibt. Wohlgemerkt, versuchen, denn und das müssen wir uns als Gesellschaft, nicht nur in der Kirche eingestehen, ganz wird diese Problematik nie verschwinden.
Und dass wir (als Kirche) das tun steht definitiv fest, auch wenn das selten bis nie in der Zeitung steht.
Gerade war ich an einer Weiterbildung im Bistum Basel zu diesem Thema und durfte sehen, dass es klare Aussagen und Schulungen vom Bischof und vom Ordinariat gibt und diese auch durchgesetzt werden.
Aber über einen Zeitungsbericht habe ich mich wirklich genervt. Ganz ungelungen und nicht konstruktiv (kritisch) fand ich den Blickartikel, mit dem Zwischentitel: Tausende Nieten in der Kirche…
Toll, wie da all die positive und gute Arbeit der vielen Menschen in der Kirche pauschal abgewertet wird. In einem Boulevardblatt, in dem so oder so nur die Titel zählen und gelesen werden, nicht das Zwischendrin.
Die Geschichte mit der Schraube, die das Schiff zusammenhält und gerne ihre Arbeit einstellen möchte (Hofsümmer) kennen viele. Und ja, es sind viele Tausende in der Schweiz, die das Schiff Petri zusammenhalten. Technisch gesehen sogar Nieten, menschlich gesehen sicher nicht.
Ohne die tausenden von Menschen, wäre das Schiff Petri eine leere Hülle, die nicht einmal mehr die Ideale hochhalten kann, die Martin Grichting im Artikel ins Zentrum stellt.
Gerade dass wir so viele sind, macht die Kirche aber aus.
Schrauben braucht es meist mehrere, um etwas fest zu machen. Jede hat ein wenig eine andere Richtung und nur wenn alle da sind ergibt sich ein stabiles Gebilde.
Ob da eine links oder rechts ist, hebt sie nicht hervor, es sind alle gleich wichtig.
So ist es auch mit den «Nieten» Es macht die Vielfalt der Kirche aus, dass wir das Evangelium von verschiedenen Seiten denken, verkünden und danach handeln.
Wenn ich für Beratungen zum Thema Jugend in den Pfarreien bin, stelle ich immer wieder fest, wieviel sich um Strukturen und Papier und wie wenig sich um Menschen dreht.
Als sei der Mensch (die Angestellten) ein potentieller Unsicherheitsfaktor. Stellen schaffen ist unter diesen Umständen schwierig, auch wenn sich alle im Prinzip einig sind und oft die Finanzen nicht das absolute Problem darstellen.
Dabei, meine ich, werden der Kirche noch mehr Menschen den Rücken zukehren, wenn wir keine Zeit mehr für sie haben. Nur noch verkünden und nicht mehr zuhören?
Und so sind wir wieder am Anfang des Bloggs. Der Mensch ist ein Unsicherheitsfaktor, weil wir ja nicht wissen können, was vielleicht einmal passieren kann. Aber der Mensch, der sich für die Menschen in der Kirche engagiert ist auch ein Sicherheitsfaktor, er gibt Halt in schwierigen Zeiten, ist da für die Menschen und hilft mit seinem Engagement der Kirche garantiert mehr als er potentiell schadet.
Dabei müssen wir uns Regeln geben, wie es sie in der Jugendarbeit schon länger und in der Jugendverbandsarbeit schon viel länger gibt.
Um die Frage aus dem 1000 Nieten Artikel aufzugreifen: Wie soll die Kirche in Zukunft auftreten?
Offen, proaktiv und menschlich. Ohne Scheu zurückschauen, aufarbeiten und für die Zukunft lernen.
Moralisch? JA! Aber nicht nur mit Schlagworten, sondern erklärend. Wir haben eine Botschaft zu verkünden und zu erklären, die, wieder einmal, nötiger denn je ist.

Thomas Boutellier

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

https://www.blogs-kath.ch/1000-schrauben-statt-nieten/