Heilige Familie im Kongo

Gleich zwei Einblicke in das Alltagsleben im Kongo: Die Berlinale ist eine aussergewöhnliche Gelegenheit, um die Lage in diesem zentralafrikanischen Land zu verstehen. Jenseits von Kriegsnachrichten wendet sich der Spielfilm «Félicité» dem Leben einer Sängerin in Kinshasa zu. Und der Dokumentarfilm «Maman colonel» zeigt die Pionierarbeit einer Polizei-Offizierin.

Félicité ist eine unabhängige Frau, die als Sängerin in einer Bar der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa arbeitet. Auf der Bühne strahlt sie Kraft und Lebensfreude aus und kann damit andere Menschen beglücken. Doch ein Motorradunfall ihres Sohnes bricht in dieses Alltagsleben ein und zerstört den gewohnten Lauf der Dinge. Die Operation kostet ein Vermögen. Für Félicité beginnt ein atemloser Lauf gegen die Zeit, um das notwendige Geld zusammen zu bringen.

Heilige Familie in afrikanischem Film

In einem Streifzug durch die armen und reichen Quartiere von Kinshasa gibt «Félicité» in soziale Schichten und afrikanische Lebenswelten. Gleichzeitig vermittelt Regisseur Alain Gomis, der selbst westafrikanische Wurzeln besitzt, eine Innenwelt der Hauptfigur. Die Sängerin geht durch Untiefen ihrer Seelenlandschaft bis sie ihr Totemtier findet. Der Film wagt sogar die Utopie einer «heiligen Familie» , in der das Leben wieder von Hoffnung erfüllt ist.

Kampf um Selbstachtung, Schutz und Würde

Mit Handkamera folgt hingegen Dieudo Hamadi seiner Protagonistin, Colonel Honorine Munyole, im Polizeicorps gegen Vergewaltigung von Kinder und Misshandlung von Kindern. Die Heldin mit Zivilcourage kämpft in «Maman Colonel» mit pragmatischen Mitteln gegen die Widrigkeiten in der kongolesischen Gesellschaft. Beherzt geht sie sozialen Deformationen und Traumata in ihrer direkten Umgebung an. In der Millionenstadt Kisangani, im Osten Kongos, hilft sie Frauen, einen Weg aus Depression und Hilflosigkeit zu finden. Sie rettet Kinder, die als Sündenböcke behandelt werden und denen böse Zauberkräfte nachgesagt werden.

Trotz alptraumhafter Zustände nimmt Maman Colonel die Missstände in den Blick und hält mit ihrer kleinen Polizeieinheit dagegen. Das wichtigste dabei scheint die Aufklärungsarbeit in den Quartieren zu sein. Sie will den Leuten wieder Selbstachtung, Schutz und Würde geben.

Hommage an eine Heldin des Alltags

Kongo hat seit 2009 ein Gesetz zum Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt und Missbrauch. Die grosse Herausforderung liegt nun in der Durchsetzung dieses Gesetzes. Dabei ist Colonel Honorine Munyole ein Pionierin. Als westlicher Zuschauer, verfolge ich diese Mission mit wachsender Faszination und Bewunderung. Der Film ist eine Hommage an eine Heldin des Alltags, die als Pionierin in dem krisengeschüttelten Land etwas bewegt und neue Hoffnung schafft.

Vom 9.bis 19. Februar 2017 bin ich an der Berlinale als Präsident der Ökumenischen Jury. In loser Folge schreibe ich in meinem Blog über Eindrücke und Highlights. Ich gebe keinen Einblick in die Diskussionen der Jury, sondern vermittle meine persönlichen Eindrücke.

Programm und Hintergrund zu den Filmen gibt es auf berlinale.de.
Weitere Infos zur Juryarbeit: inter-film.org.

Charles Martig

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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