Bilder vom Paradies sind im Islam umstritten

Ein Blick in die algerische Gesellschaft aus der Perspektive einer jungen Journalistin: das bietet der Film «Tahqiq fel djenna» (Investigating Paradise) in einer präzisen und ästhetischen Art und Weise. Die Rede vom Paradies, wie sie in fundamentalistischen Predigten aufscheint, wird hier als «islamistische Pornographie» entlarvt.

Es gibt eine Theologie des Todes. Sie wird auf fundamentalistischen TV-Sendern und auf Video-Kanälen der muslimischen Hardliner tausendfach verbreitet. Die junge algerische Journalistin Nadjma beschäftigt sich mit diesem Medienphänomen und geht auf die Strasse, um junge Menschen zu ihren Bildern vom Paradies zu befragen. Insbesondere interessiert sich sich für die plastischen Schilderungen des Paradieses, das salafistische Prediger entwerfen, um junge Männer für den Dschihad anzuwerben. Zusammen mit ihrem Kollegen Mustapha befragt Nadjma verschiedene Protagonisten: Aktivistinnen, Intellektuelle und religiöse Gelehrte.

Erstaunlich ist die Sichtweise in der algerischen Gesellschaft, dass die islamistische Rhetorik als beschämend und aggressiv betrachtet wird. Es gibt sogar das Wort von «islamistischer Pornographie» wenn es um das Versprechen der 72 Jungfrauen im Paradies geht. Darüber hinaus wird deutlich, dass es nicht nur um einen muslimischen Diskurs geht. Vielmehr schärft der Film die Sinne für die Globalisierung des Marktes der Religionen. Das Paradies wird zum begehrten Konsumgut, mit viel Geld aus Saudi-Arabien beworben, um die Deutungshoheit über den Koran weltweit durchzusetzen. Auf der Erde sind Sex und Drogen für strenggläubige Muslime verboten, im Himmel gibt es Frauen und Wein im Übermass.

Der algerische Blick auf dieses Phänomen macht deutlich, dass ein grosser Teil der muslimischen Gesellschaften im Maghreb diese wahabitische Ideologie ablehnen. Das ist ein wichtiger Beitrag zu einem differenzierten Bild des Islam.

Vom 9.bis 19. Februar 2017 bin ich an der Berlinale als Präsident der Ökumenischen Jury. In loser Folge schreibe ich in meinem Blog über Eindrücke und Highlights. Ich gebe keinen Einblick in die Diskussionen der Jury, sondern vermittle meine persönlichen Eindrücke.

Programm und Hintergrund zu den Filmen gibt es auf berlinale.de.
Weitere Infos zur Juryarbeit: inter-film.org.

 

Charles Martig

Kirche Schweiz – katholisch, aktuell, relevant

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