Heinz Angehrn

Persönlich

Am 27.Oktober, exakt zur Zeit, wie dieser Beitrag erscheint, darf ich im Dekanat St.Gallen, in dem ich alle meine 37 Berufsjahre verbracht habe, mit einem Leseabend mein kleines Büchlein «Unheilige Mütter» öffentlich vorstellen. Es wird auf den beiden Pfarrei-Sekretariaten in Abtwil und Engelburg zum Selbstkostenpreis erhältlich sein (Anschriften: pfarreisekretariat@kath-abtwil.ch und sekretariat@pfarrei-engelburg.ch). Ich bin wohl kein Bücherschreiber, darum dürfte dies das einzige sein (nebst der Abschluss-Arbeit in Luzern natürlich, aber die war viel länger…), was ich je in dem Format veröffentliche.

Es ist keine gefällige Lektüre, wenn der grösste Teil auch aus lockeren und anekdotenhaften Geschichten aus Kindheit und Pubertät besteht, denn der Grund, warum ich es geschrieben habe, und die Conclusiones, die ich ziehe, sind bittere Kost. Im innersten Kern will und muss ich erzählen, wie leicht es im speziellen System Katholische Kirche möglich ist, dass emotional missbrauchte Menschen (und dazu gehören eben junge homosexuell fühlende Männer, die von diesem System willig «geschluckt» und getäuscht werden) ihrerseits kompensierend Menschen missbrauchen. Dass ich überlebt habe, ohne andere schwerwiegend in ihrer Integrität zu verletzen, schaue ich weder als Gnade noch Geschenk, sondern als Glück an.

Diese Gefahr ist auch heute vorhanden, deshalb kann und muss ich etwa auf den im Jahr 2022 publik gewordenen «Fall» (im doppelten Sinn) von Don Samuele Tamagni, einem Vorzeigepriester der Diözese Lugano, verweisen: Hochgejubelt erst, quasi in heilige Sphären abgehoben (wie das geht, dazu lese man etwa bei: Nicolas Betticher. trotz allem), dann über das Normalste der ganzen Welt, die eigene Sexualität, gestolpert, in ihren Beziehungswirren verwickelt tief gestürzt, aufgeflogen, in aller Öffentlichkeit vernichtet (Zitat der Tessiner Presse: «er hat alle seine Werte verraten»), juristisch verurteilt – ein wertvolles Leben kaputt gemacht – nur damit der schöne Schein wieder einmal gewahrt werden konnte. Don Samuele hat weder Gnade noch Geschenk und auch nicht Glück. Und die wirklich Schuldigen schauen beschämt weg oder treten zurück.

Hauptverantwortlich dafür, dass sich dieses Unheil immer wieder abspielt, ist (nebst manchen der physischen Mütter der Priester) ihre geistige Mutter, unser aller heilige Mutter Kirche mit ihrer Ämtertheologie und ihrer Amtsspiritualität. Das ist es, was mich als «Überlebenden» antrieb, meine Geschichte zu erzählen. Ich will bewusst weh tun, ich will warnen, damit dieser spirituelle Missbrauch junger Männer endlich endet.
Und noch dieses Originalzitat aus der Einleitung des Büchleins:

«Heilig» im Sinne von vorbildhaft, ehrlich, authentisch, wahrhaftig ist auch meine Kirche nicht, war es wohl nie. Ein tiefes Misstrauen der kirchlichen Sprache gegenüber ist es vor allem, was mich in meiner Beurteilung verändert hat, ein Misstrauen sowohl der dogmatisch-lehramtlichen Sprache, wie der spirituell-liturgischen Sprache gegenüber. Wie ich aufzeigen möchte, dient diese Sprache nicht dem Menschen, sondern nur dem System bzw. seiner Erhaltung. Wenn Wunibald Müller einst titelte, dass die Ehre Gottes der lebendige Mensch sei, dann ehrt die offiziell kirchliche Sprache weder Gott, noch dient sie den Menschen, vor allem nicht ihren «geliebten Söhnen», den Priestern!

Wer es wagen will zu lesen: Herzlich eingeladen!

27. Oktober 2022 | 19:30
von Heinz Angehrn
Lesezeit: ca. 2 Min.
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