Bruder Klaus und Gefährten

«Ohne Gebet keinen inneren Frieden»

Als einer der grossen Mystiker unserer Kultur erreicht Niklaus von Flüe Tiefen, in welchen er sich mit herausragenden spirituellen Leitfiguren aller Hochreligionen und -kulturen wiederfindet. Ein Themenbereich, der sich bei einem interreligiösen und ökumenischen Vergleich aufdrängt, ist das Gebet, vor allem das Herzensgebet.

Dabei geht es geht nicht um das Beten und das Bitten zu jemanden, für jemanden oder um etwas, sondern um die innerste Erfahrung eines Dialogs, der aus dem Herzen kommt und im Herzen endet. Bei Niklaus von Flüe wird dies vor allem im Radbild und in seinem heute weltberühmten Bruder-Klausen-Gebet manifest.

Einig in der Gewissheit und in der Demut

Weit eloquenter, doch in der Essenz im selben Sinn und Geist, äusserte sich Mahatma Gandhi (1869–1948) über das Herzensgebet wie folgt: «Wer die Faszination des (Herzens-)gebets erfahren hat, der kann tagelang ohne Essen auskommen, aber keinen einzigen Augenblick ohne Gebet. Denn ohne Gebet gibt es keinen inneren Frieden.» Und im selben Kontext: «Gebet ist ein Aufruf zur Demut. Es ist ein Aufruf zur Selbstreinigung, zur Erforschung des Inneren.»

Mahatma Gandhi bringt hier in wenigen Sätzen zentrale Themen ein, die diese beide herausragenden Menschen über viele Jahre hinweg beschäftigte und ihre öffentliche Wahrnehmung mit prägten: die persönliche Askese, die Sehnsucht nach Gott sowie nach innerem und äusserem Frieden. Und wie nebenbei spricht Gandhi aus, was beide – und mit ihnen viele weitere spirituelle Leitfiguren – auszeichnet: Gewissheit und Sicherheit bezüglich des eingeschlagenen Weges und dennoch grösstmögliche Demut. «Es gibt keine vollkommene Leistung ohne das Gebet – ohne die eindeutige Kenntnis, dass selbst das beste menschliche Streben keine Frucht bringt, wenn nicht der Segen Gottes auf ihm ruht», sagte Gandhi. Fast 500 Jahr vor ihm drückte Niklaus von Flüe es schlichter aber nicht weniger präzis aus: «Ihr begehrt, dass ich Gott für Euch bitte. Das will ich tun in guten Treuen, es ist aber nicht mehr als Gott tut» (Brief an Konstanz, 30. Januar 1482).

Roland Gröbli

 

Veranstaltungshinweis

Am 8. November 2017 spricht Roland Gröbli um 19:30 über «Niklaus von Flüe – ökumenisch und interreligiös betrachtet». Ort: Hirschengraben 66 (Centrum 66) Zürich. Veranstalter: Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen im Kanton Zürich (AGCK). Siehe www.zh.agck.ch.

Literaturhinweis

Gertrude und Thomas Sartory (1988), Texte zum Nachdenken (Jubiläumsband der Herderbücherei), ausgewählt und eingeleitet von Monika Christians, 169.

Gröbli (1990), Einig Wesen, 154–157.

Vereint im gemeinsamen Verständnis der Bedeutung des Betens und des Gebets: Mahatma Gandhi (Federzeichnung von Wilson Santos) und Niklaus von Flüe (Alfred Bruggmann).
30. Oktober 2017 | 06:28
von Bruder Klaus und Gefährten
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