Nathalie Rickli
Charles Martig

Natalie Rickli auf der «Anti-Service-Public-Mission»

Die Schweizer Politik besteht aus einem ausgefeilten System von Gremien, Abläufen und Prozessen. Paradebeispiel ist dabei die Service-public-Debatte, die ich berufshalber verfolge. Nachdem der Bundesrat Mitte Juni seinen Bericht zum medialen Service public veröffentlicht hat, debattierte nun am 29.8.2016 die Nationalratskommission KVF über das Sachgeschäft. Pikant dabei ist, dass ausgerechnet die SVP-Nationalrätin Natalie Rickli diese wichtige Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen präsidiert. Mit der Interessenbindung an ein privates Medienunternehmen kann sie als zerstörerische Kraft gegen die öffentlich-rechtlichen Medien verstanden werden.

Doch nicht nur dieses politische Taktieren und Lobbyieren ist für mich interessant, sondern vielmehr die Frage, welches Menschenbild dahinter steht. Im Grunde geht es bei der Sercive-public-Debatte um die Frage: Sind wir durch die Angebote in Radio, Fernsehen und Internet nur noch als Konsumenten angesprochen, oder gibt es dahinter auch noch mehr? Aus christlicher Sicht ist diese Frage entscheidend. Als Ebenbild Gottes sind Menschen mehr als nur konsumierende Wesen.

Sind wir alle nur noch Konsumenten?

Die katholische Soziallehre wendet sich entschieden gegen die ökonomistische Vorstellung vom Menschen, der nur noch den Prinzipien der Gewinnmaximierung und der Effizienz unterworfen wird. Menschen sind nicht identisch mit Konsumenten. Vielmehr handelt es sich bei jedem Menschen um eine Person, die eine eigene Würde besitzt, unabhängig von gesellschaftlichem Status und Finanzkraft. Für diese menschliche Würde setzt sich Papst Franziskus in der Weltöffentlichkeit ein. Er scheint damit zur letzten moralischen Instanz in Europa geworden zu sein. In einer Welt der Verwertbarkeit und des rationalen Kalküls gibt es einen Wert, den wir nicht veräussern dürfen: die Würde des Menschen. Und gerade hier scheint mir, dass auch der Beitrag der Service-public-Medien entscheidend ist.

Rein privatwirtschaftlich gesehen wird jede und jeder auf sein Wesen als Konsumentin und Konsument reduziert. Dies widerspricht sowohl dem religiösen Menschenbild der Kirchen als auch der modernen Auffassung des Menschen als mündige Bürgerin oder als aufgeklärter Bürger. Wenn wir als Menschen nur noch Konsumenten sind, dann ist die Grundlage des Service public zerstört. Aber nicht nur das. In diesem Fall sind auch die Religionen mit ihrem Menschenbild gescheitert. Deshalb ist es wichtig, dass sich Kirchen und Religionsgemeinschaften in die Politik einmischen und für den gemeinschaftlich getragenen Dienst an der Gesellschaft einstehen. Ich bin derzeit auf einer «Service-public-Mission». So wie Nathalie Rickli auf einer Mission zur Zerstörung dieses Service public ist.

«Ce n’est pas très catholique, Madame Rickli!»

Die Kirchen sind Teil des Service public. Als ethische Impulszentren für die Gesellschaft tragen sie bei zur Integration und stehen ein für Menschenrechte, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Diese Art des Service public ist für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der Schweiz unabdingbar. Deshalb haben auch wir als Kirchenmitglieder, Bürger und Bürgerinnen ein grosses Interesse, dass der Service public weiterentwickelt und gestärkt wird, gerade in den Medien. Kräfte, die diesen medialen Service schmälern oder abbauen möchten, stehen diesem Gedanken des «Service public catholique» entgegen. Da kann ich Frau Rickli nur zurufen: «Ce n’est pas très catholique, Madame!»

Nathalie Rickli | © parlament.ch
31. August 2016 | 18:24
von Charles Martig
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!