Markus Baumgartner

Macht hoch die Tür

Es gibt wohl kaum eine Zeit im Kirchenjahr, in der das Liedgut von allen christlichen Kirchen so einträchtig ineinander übergeht wie in der Weihnachtszeit. Ein Beispiel dafür ist «Macht hoch die Tür, die Tor macht weit». Das Lied ist eines der beliebtesten Adventslieder. Das ist aufgrund seiner Entstehung nicht selbstverständlich.

«Macht hoch die Tür, die Tor macht weit; es kommt der Herr der Herrlichkeit, ein König aller Königreich, ein Heiland aller Welt zugleich.» Aus diesem Lied glitzert die adventliche Vorfreude in barocker Opulenz: «Er ist die rechte Freudensonn, bringt mit sich lauter Freud und Wonn.» So heisst es in der dritten Strophe über die Ankunft Gottes, des Königs. Das ist Weihnachten. Auf diese Ankunft sollen sich alle innerlich vorbereiten und «die Zweiglein der Gottseligkeit» mit «Andacht, Lust und Freud» aufstecken. 

Umstände waren schwierig

Die Umstände für die Komposition dieses fröhlichen Liedes waren alles andere als glückverheissend: Der Dichter der Strophen ist der evangelische Pfarrer Georg Weissel. Er hat den Text 1623 in Ostpreussen mitten im tobenden Dreissigjährigen Krieg (1618-1648) geschrieben. Der Pfarrer dichtete die Strophen für die Einweihung der damals neu erbauten, heute nicht mehr vorhandenen Altrossgärter Kirche in Königsberg am zweiten Adventssonntag. Dabei bezieht sich der Liederdichter auf Psalm 24 Vers 9 in Anlehnung an die Übersetzung Martin Luthers: «Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehren einziehe!» Ursprünglich gehört der biblische Text zu einer israelischen Liturgie bei der Feier des Einzuges der Bundeslade in den Tempel. Die Kirche griff den Text bereits früh auf und erwartete im Advent den «König der Ehren» mit dem Ruf «Macht hoch die Tür, die Tor macht weit». Gott steht an der Tür und klopft an: Ich öffne mein Herz, meine Seele und lasse Gott in mein Inneres eintreten. 

Schwungvolle Melodie

Der Text mit seinen vielen Anspielungen ist heute nicht mehr für alle verständlich: Wer weiss schon, dass mit den «Zweiglein der Gottseligkeit» nicht nur Tannenzweige gemeint sind, mit denen man das Haus schmückt. Gemeint sind auch die Palmzweige, die das Volk vor Jesus ausgebreitet hat, als dieser in Jerusalem einzog. Die eingängige, schwungvolle Melodie entstand erst einige Jahrzehnte später und verdrängte 1704 die ursprüngliche. Sie wurde vom evangelischen Theologen Johann Anastasius Freylinghausen aus Halle komponiert, dessen Liedersammlungen zu den wichtigsten des Pietismus zählen. Ihm verdankt das Lied seine volkstümliche Beliebtheit, die es die Menschen in der Adventszeit gerne und oft singen lässt. Wie das Lied klingt, zeigt die Interpretation von Roger Whittaker oder den Regensburger Domspatzen sehr schön. Und hier gibt es auch den Soundtrack zum Mitsingen .

Bild Quelle Pixabay
22. Dezember 2019 | 20:11
von Markus Baumgartner
Lesezeit: ca. 2 Min.
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