Bruder Klaus und Gefährten

«Machet den zun nit zuo wit»

Eine Lebensregel zu mehr Bescheidenheit

Der heute berühmteste Satz von Niklaus von Flüe ist seine angebliche Mahnung «Machet den zun nit zuo wit». Zwar zitierte diesen Satz erst der Luzerner Gerichtsschreiber Hans Salat 50 Jahre (!) nach dem Tod des Eremiten. Dennoch halte ich es für denkbar, dass dieses Zitat einen authentischen Kern aufweist, der dem Sinn und Geist des Ranfteremiten entspricht.

Dieser authentische Kern ist nicht eine politische Aussage, sondern rechtlich und moralisch zu verstehen. Er richtet sich – im Verständnis der Zeit – wider das Errichten von Eigennutz und damit das Abgrenzen von privat genutzten (Weide-)Gebieten anstelle der gemeinsamen Nutzung einer Allmend, zu der die ganze Gemeinschaft Zugang hat. Was uns heute selbstverständlich ist, war damals ein heiss umstrittener und fundamentaler Wechsel im Leben der Gemeinschaften. Wir kennen den Begriff Eigennutz nur noch als moralischen Begriff, ganz anders die Zeitgenossen von Niklaus von Flüe. Der Eigennutz, das waren jene Wiesen und Äcker, die eine einzige Familie und nur für sich, für den Eigennutz, verlangte und deshalb mit einem Zaun von der Allmend trennte. «Machet den zun nit zuo wit» ist, auf heute übertragen, eine Lebensregel zu mehr persönlicher und materieller Bescheidenheit zugunsten der Gemeinschaft.

Die (heutige) politische Aussage dagegen wird weder der damaligen Zeit noch Niklaus von Flüe gerecht. Denn er setzte sich erfolgreich für einen glücklichen Ausgang des «Stanser Verkommnis» von 1481 ein und trug so entscheidend dazu bei, dass die Alte Eidgenossenschaft mit der Aufnahme von Freiburg im Üechtland und von Solothurn zu einer sprachlich und kulturell offeneren Gemeinschaft wurde.

Roland Gröbli

Literaturhinweis:

Roland Gröbli: Mystiker, Mittler Mensch, in: Gröbli (2016), 39.

Zaun und Weideland als Ausgangspunkt für die Warnung, nicht allzu eigennützig zu sein. (Foto: Roland Gröbli)
11. Januar 2017 | 00:06
von Bruder Klaus und Gefährten
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