Bild: Karin Reinmüller / © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)
Karin Reinmüller

Köln, Chur – kirchliches Kontrastprogramm

Derzeit im Bistum Köln zu Gast, konnte ich die Folgen der Veröffentlichung des Gutachtens zur Vertuschung von sexuellem Missbrauch letzte Woche recht direkt erleben: Eine Erschütterung ging (und geht) durch Menschen in meinem Bekanntenkreis. Seelsorger, Weihbischöfe, mit denen sie zum Teil schon lange verbunden sind, die sie als zugewandt im Leben und Arbeiten mit sozial Ausgegrenzten erlebt haben, von denen wird jetzt klar, dass sie ihre Pflichten verletzt haben, wo es um Priester ging, die im Verdacht standen, Menschen sexuell missbraucht zu haben. Das ist schwer, und schmerzhaft. Wobei wichtig ist, das ungleich grössere Leid der Opfer nie aus den Augen zu verlieren.

Und fast zeitgleich zu Freistellungen und Rücktrittsangeboten in Köln wurde in Chur der neue Bischof geweiht. Der seinen bischöflichen Segen erst geben wollte, nachdem er den Segen der Gemeinde empfangen hatte. Ein Mann, von dem ich gehört habe «Ich muss sagen, das sich meine Meinung zum Thema Missbrauch um 180 Grad geändert hat.» Das macht Hoffnung. Während in einem Dorf in Franken Unterschriften gesammelt werden für einen rechtskräftig wegen Missbrauchs verurteilten Priester – dort können Menschen offenbar nicht verstehen, dass auch ein guter, beliebter Seelsorger Täter sein kann. Bischof Bonnemain hat das wohl verstanden. Und auch in Köln haben Menschen verstanden. Vertuscher sind keine Missbrauchstäter, trotzdem müssen sie Verantwortung übernehmen für das, was sie (nicht) getan haben. Deshalb machen mir auch die Vorgänge in Köln, so unterschiedlich sie von Chur sind, Hoffnung. Die Kirche bewegt sich doch. Und diese Bewegung wird kaum mehr aufzuhalten sein.

Bild: Karin Reinmüller / © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)
21. März 2021 | 13:31
von Karin Reinmüller
Lesezeit: ca. 1 Min.
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2 Gedanken zu „Köln, Chur – kirchliches Kontrastprogramm

  • Michael Bamberger sagt:

    Das Spotlight Journalistenteam vom Boston Globe brachte 2001/2002 den Missbrauchs-und Vertuschungsskandal in der Diözese Boston ans Licht und löste damit einen globalen Prozess aus, der noch alles andere als abgeschlossen ist. Seither haben etliche unabhängige Kommissionen den weltweiten klerikalen Sumpf durch Priester und Nonnen Land für Land aufgedeckt, so z.B. relativ flächendeckend in den USA, Irland und Australien. In diesen 20 Jahren seit den Spotlight Enthüllungen hat die Kirche fast immer nur dann reagiert, wenn der Druck von aussen zu stark wurde. So nun auch im Bistum Köln, indem Woelki unter Druck die Untersuchung beauftragte und anschliessend eine Reihe seiner “Mitbrüder” in die Wüste schickte, während er selber auf Saubermann macht.

    Liebe Frau Reinmüller, Sie schreiben: “Die Kirche bewegt sich doch.”

    Wenn die Kirche sich wirklich bewegen wollte, müsste sie unabhängigen Kommissionen den Zutritt in sämtliche Bistümer weltweit ermöglichen und die entsprechenden Konsequenzen aus den Ermittlungen ziehen. Nur so würde die Kirche vielleicht eine Prise ihres verspielten Renommees zurückgewinnen. Dass dieser notwendige Schritt aber illusorisch scheint, zeigt das bisherige Verhalten der Kirche in den 20 Jahren nach Spotlight.

    Somit bleibt also lediglich das bange Warten auf all die kommenden Enthüllungen in einem Land nach dem anderen, durch gesellschaftliche, bzw. staatlich rechtliche Interventionen, verbunden mit einer immer tiefer werdenden Vertrauenskrise über viele kommende Jahrzehnte. Und noch viel schlimmer als das, die nimmer endenden Verletzungen aller Missbrauchsopfer.

  • Christoph Albrecht sagt:

    Überall gilt der Satz, den ich von “Jesus” im “Das neue Evangelium” gehört habe: “Nicht die Verzweifelten sind unser Feind, sondern wer Verzweiflung sät.” Danke, liebe Frau Reinmüller, für Ihre Gedanken der Hoffnung!

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