Mythen, Schwyz
Charles Martig

Jesus hat nichts über die «Grüne Wirtschaft» gesagt ... und doch ist sie aus katholischer Sicht wichtig

In meiner Auffassung von Theologie gehören Religion und Politik zusammen und müssen sich gegenseitig beeinflussen, damit ein authentisches «Reden von Gott» möglich ist. Deshalb wende ich mich vor dem Abstimmungssonntag der Inititative «Grüne Wirtschaft» zu und der Frage, wie wir als Gesellschaft moralisch handeln können. Angesichts der Bedrohung, die wir mit dem Klimawandel für zukünftige Generationen hinterlassen, gibt es dringenden Handlungsbedarf. Und um die Verantwortlichen des Bistums Chur zu beruhigen gebe ich gleich am Anfang zu: Jesus hat nichts über die «Grüne Wirtschaft» gesagt.

Es gibt viele technische und wirtschaftliche Argumente, warum wir auf eine nachhaltige Wirtschaft umschwenken sollten. Doch es ist offensichtlich in der Schweiz nicht einfach, ein politisches Anliegen zu verfolgen, das jedem und jeder mit klarem Menschenverstand einleuchtet. Der Klimawandel ist ein Faktum, das von 97 Prozent der Wissenschaftler bestätigt wird; die Leugner sind nur noch in kleinen Zirkeln organisiert. Wir wissen, dass wir so nicht mehr weiter machen können und sollen, weil uns sonst die Stürme um die Ohren fliegen und wir ganze Völker wie in Bangladesch in den Überschwemmungstod treiben.

Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als ein Reicher in den Himmel

Die Umfrageergebnisse zur Initiative «Grüne Wirtschaft» machen deutlich, dass die Ablehnung zur nachhaltigen Wirtschaft in der Schweiz wächst. Es scheint eben unerträglich hart, als reiches Land etwas vom Wohlstand abzugeben. Sobald die Angst vor den negativen Wirkungen auf das Wirtschaftswachstum und auf die schwierige Lage der Unternehmen überhand nimmt, sinkt der Mut der Schweizerinnen und Schweizer. Wirtschaftliches Wohlergehen geht vor, selbst wenn wir damit den Klimawandel weiter vorantreiben. Jesus hat bereits in der Geschichte vom reichen Geschäftsmann darauf aufmerksam gemacht, dass es für einen Reichen sehr schwierig ist, in den Himmel zu kommen. «Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.» (Mk 10,25) Man könnte also auch sagen: Leichter geht die «Grüne Wirtschaft» durch das Nadelöhr einer Volksabstimmung, als dass ein reiches Volk sich den Weg in den Himmel verdient.

Franziskus betont in «Laudato si'» die Gerechtigkeit

Werfen wir nochmals einen Blick in die Enzyklika «Laudato si'», die sich ökologischen Themen zuwendet. Der innovative Schritt von Papst Franziskus besteht darin, dass er die ökologischen Fragen mit der Frage nach der Gerechtigkeit weltweit verbindet. Aus dieser Perspektive geht es bei der «Grünen Wirtschaft» nicht einfach darum, wie wir unsere Umwelt schonen und die Ressourcen besser nutzen. Das nennen wir aus christlicher Sicht «Bewahrung der Schöpfung» und ist eigentlich ein alter Hut. Neu ist jedoch die moralische Pflicht von reichen Ländern, jetzt endlich den CO2-Ausstoss zu reduzieren. Unser Reichtum wurde damit erwirtschaftet, dass wir in Europa und Nordamerika während 200 Jahren die Atmosphäre als Abfalldeponie benutzt haben. Der Klimawandel ist also den reichen Volkswirtschaften zu «verdanken» und der Kapitalismus ist die grundlegende Ursache für dieses Verhalten. Papst Franziskus betont, dass die Dominanz der Wirtschaft, insbesondere der Finanzwirtschaft gegenüber der Politik, einen wirksamen Umweltschutz verhindere (Laudato si’ 109). Als reiche Volkswirtschaften sind wir moralisch dazu verpflichtet, jetzt den CO2-Ausstoss zu senken, auch wenn dies das Wirtschaftswachstum hemmen könnte. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit gegenüber den ärmeren Ländern unserer Welt. Wir haben also eine moralische Pflicht, zu einer «Grünen Wirtschaft» Ja zu sagen, auch wenn es uns wirtschaftlich weh tut.

Religion und Politik gehören zusammen

Die bischöfliche Kommission Justitia et Pax hat sich ebenfalls mit einer politischen Stellungnahme zur Initiative geäussert. Es kann also nicht ganz falsch sein, wenn sich Kirchenvertretern zu aktuellen politischen Fragen zu Wort melden. Religion und Politik sind ein Paar, das sich in gegenseitiger Auseinandersetzung immer wieder entzündet, was negative wie positive Folgen zeigt. In Sachen Gerechtigkeit und «Grüne Wirtschaft» denke ich, dass sich Religionsgemeinschaften unbedingt in die politische Diskussion einmischen müssen. Gerade die katholische Kirche ist dazu aufgerufen: Als globale Kirche ist sie besonders betroffen vom weltweiten Klimawandel und von der wirtschaftlichen Ungerechtigkeit zwischen Arm und Reich.

Wir sind als Schweizerinnen und Schweizer besonders gefährdet, den Weg in den Himmel nicht zu finden, wie es schon Jesus dem jungen, reichen Mann eröffnet hat. Fangen wir also an, die Pforte zum Himmel mit «grünem Handeln» wieder einen kleinen Spalt aufzumachen.

Mehr dazu: Interview mit Balthasar Glättli zum Verhältnis von Kirche und «Grüne Wirtschaft».

 

Mythen, Schwyz | © Sylvia Stam
16. September 2016 | 15:56
von Charles Martig
Lesezeit: ca. 3 Min.
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